Haben Sie schon einmal von Sadomonetarismus gehört? Dieser Begriff beschreibt eine restriktive Geldpolitik, die kurzfristig wirtschaftliche Schmerzen verursacht, um langfristige Stabilität zu erreichen. In einer Zeit, in der die Europäische Zentralbank und andere Notenbanken mit hoher Inflation kämpfen, gewinnt dieses Konzept an Bedeutung. Es wirft wichtige Fragen auf: Wie wirkt sich eine solche Politik auf Sparer, Unternehmen und die gesamte Volkswirtschaft aus?
Dieser Artikel beleuchtet die Definition, die historischen Hintergründe und die aktuellen Auswirkungen des Sadomonetarismus auf Deutschland und Europa und erklärt, warum dieses Thema für jeden von uns relevant ist.
Inhaltsverzeichnis
Die Definition und die Säulen des Sadomonetarismus
Der Begriff „Sadomonetarismus“ ist eine provokante Wortschöpfung, die zwei Konzepte miteinander verbindet: Sadismus, das Vergnügen am Leid anderer, und Monetarismus, eine Wirtschaftstheorie, die die Geldmenge als primäres Steuerungsinstrument der Wirtschaft betrachtet. Im Kern beschreibt Sadomonetarismus eine extrem strenge Form der Geldpolitik. Notenbanken, die diesen Weg einschlagen, nehmen bewusst kurzfristige wirtschaftliche Nachteile wie steigende Arbeitslosigkeit, eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums oder sogar eine Rezession in Kauf.
Das übergeordnete Ziel ist es, die Inflation um jeden Preis zu bekämpfen und die langfristige Preisstabilität zu sichern. Kritiker prägten diesen Begriff, um die scheinbare Gleichgültigkeit der politischen Entscheidungsträger gegenüber den sozialen Kosten ihrer Politik zu beschreiben. Sie argumentieren, dass die Lasten dieser Politik unverhältnismäßig stark von den schwächeren Teilen der Gesellschaft getragen werden, während die finanzielle Stabilität des Gesamtsystems priorisiert wird.
Diese Politik stützt sich auf mehrere theoretische Säulen. Die wichtigste ist die Quantitätstheorie des Geldes, die besagt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Preisniveau besteht. Um die Inflation zu senken, muss demnach die Geldmenge reduziert oder ihr Wachstum stark verlangsamt werden. Dies geschieht typischerweise durch eine Erhöhung der Leitzinsen. Höhere Zinsen machen Kredite für Unternehmen und Verbraucher teurer, was Investitionen und Konsum dämpft und somit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage reduziert.
Eine weitere Säule ist das Konzept der rationalen Erwartungen. Demnach passen die Menschen ihre Erwartungen an die zukünftige Inflation an die Glaubwürdigkeit der Zentralbank an. Eine konsequent harte Geldpolitik soll signalisieren, dass die Zentralbank entschlossen ist, die Inflation zu bekämpfen. Dies soll die Inflationserwartungen der Bevölkerung senken, was wiederum hilft, den tatsächlichen Preisdruck zu mindern. Der Sadomonetarismus stellt somit eine radikale Form des Engagements für Preisstabilität dar, bei der kurzfristige Schmerzen als notwendiges Opfer für langfristige Gesundheit angesehen werden.
Hohe Zinsen als zentrales Instrument
Das Hauptinstrument des Sadomonetarismus ist eine aggressive Anhebung der Leitzinsen. Wenn eine Zentralbank wie die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinssätze erhöht, hat dies weitreichende Konsequenzen für die gesamte Wirtschaft. Für Geschäftsbanken wird es teurer, sich Geld bei der Zentralbank zu leihen. Diese höheren Kosten geben sie in Form von teureren Krediten an ihre Kunden – also Unternehmen und Privatpersonen – weiter.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass Investitionen in neue Maschinen, Gebäude oder Technologien unattraktiver werden. Die Finanzierungskosten steigen, was die Gewinnmargen schmälert und die Risikobereitschaft senkt. Kleinere und mittlere Unternehmen in Deutschland, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sind davon besonders betroffen, da sie oft stärker auf Bankkredite angewiesen sind als große Konzerne. Dies kann zu einem Rückgang der Investitionstätigkeit und letztlich zu einem langsameren Wirtschaftswachstum führen.
Auch die privaten Haushalte spüren die Auswirkungen direkt. Die Zinsen für Hypotheken und Baukredite steigen, was den Erwerb von Wohneigentum erschwert oder verteuert. Bestehende variable Kredite werden zu einer größeren finanziellen Belastung. Gleichzeitig werden auch Konsumentenkredite für Autos oder andere größere Anschaffungen teurer. Dies führt dazu, dass die Menschen weniger ausgeben, was die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen dämpft. Der gewünschte Effekt ist eine Abkühlung der Wirtschaft, um den Preisauftrieb zu stoppen.
Reduzierung der Geldmenge
Neben der Anhebung der Zinssätze ist die Reduzierung der Geldmenge, auch als quantitative Straffung (Quantitative Tightening, QT) bekannt, eine weitere entscheidende Maßnahme. Während der Krisen der letzten Jahre, wie der Finanzkrise 2008 oder der COVID-19-Pandemie, haben Zentralbanken massiv Staats- und Unternehmensanleihen gekauft. Dieser Prozess, bekannt als quantitative Lockerung (Quantitative Easing, QE), pumpte Liquidität in die Märkte und hielt die Zinsen niedrig.
Quantitative Straffung ist der umgekehrte Prozess. Die Zentralbanken verkaufen die in ihren Bilanzen angesammelten Anleihen oder lassen sie auslaufen, ohne sie zu ersetzen. Dadurch wird dem Finanzsystem Geld entzogen. Wenn die EZB beispielsweise deutsche Staatsanleihen verkauft, müssen Käufer (Banken, Fonds, Versicherungen) dafür bezahlen, was die Geldmenge im Umlauf verringert.
Diese Verknappung von Geld führt ebenfalls zu steigenden Zinsen am Kapitalmarkt, unabhängig von den Leitzinsentscheidungen. Für Staaten wie Deutschland oder andere EU-Länder wird es teurer, neue Schulden aufzunehmen, da sie höhere Zinsen auf ihre Anleihen bieten müssen. Dieser Mechanismus verstärkt die Wirkung der Leitzinserhöhungen und trägt dazu bei, die finanziellen Bedingungen in der gesamten Eurozone zu verschärfen, was die wirtschaftliche Aktivität weiter bremst.
Historische Beispiele und ihre Lehren
Die Idee, durch eine schmerzhafte wirtschaftliche Rosskur die Inflation zu bändigen, ist nicht neu. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Politik des ehemaligen US-Notenbankchefs Paul Volcker in den frühen 1980er Jahren. Die USA litten damals unter einer hartnäckigen Stagflation – einer Kombination aus hoher Inflation und stagnierender Wirtschaft. Volcker reagierte mit einer drastischen Anhebung des Leitzinses auf über 20 %.
Die Folgen waren brutal: Die USA stürzten in eine tiefe Rezession, die Arbeitslosigkeit schoss in die Höhe und zahlreiche Unternehmen gingen bankrott. Landwirte und die Schwerindustrie litten besonders stark unter den hohen Kreditkosten. Trotz der immensen sozialen Kosten gelang es Volcker jedoch, die Inflation, die zweistellige Werte erreicht hatte, erfolgreich zu brechen. Seine Politik legte den Grundstein für eine lange Phase wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum in den folgenden Jahrzehnten. Der „Volcker-Schock“ wird heute oft als Lehrbuchbeispiel für eine sadomonetaristische Politik angeführt, die langfristig erfolgreich war, aber einen hohen kurzfristigen Preis forderte.
Auch in Europa gibt es Beispiele. In den frühen 1990er Jahren hielt die Deutsche Bundesbank, der Vorgänger der EZB in Deutschland, an einer Politik hoher Zinsen fest, um die Inflationsrisiken nach der Wiedervereinigung zu bekämpfen. Diese Politik hatte weitreichende Auswirkungen auf andere Länder im Europäischen Währungssystem (EWS), die ihre Währungen an die Deutsche Mark gekoppelt hatten.
Länder wie Großbritannien und Italien sahen sich gezwungen, ebenfalls hohe Zinsen beizubehalten, um ihre Wechselkurse stabil zu halten, obwohl ihre Volkswirtschaften bereits in einer Rezession steckten. Der Druck wurde schließlich zu groß, was zum berühmten „Schwarzen Mittwoch“ 1992 führte, an dem Großbritannien das EWS verlassen musste. Dieses Beispiel zeigt, wie die strikte Geldpolitik eines dominanten Landes schmerzhafte Anpassungsprozesse in anderen, wirtschaftlich verflochtenen Ländern erzwingen kann – ein klassisches Merkmal, das Kritiker dem Sadomonetarismus zuschreiben.
Die Rolle der EZB in der aktuellen Inflationskrise
Angesichts der höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten sah sich die Europäische Zentralbank ab 2022 gezwungen, eine deutliche Kehrtwende in ihrer Geldpolitik vorzunehmen. Nach Jahren der Null- und Negativzinsen begann die EZB einen der schnellsten und aggressivsten Zinserhöhungszyklen ihrer Geschichte. Innerhalb kurzer Zeit wurde der Einlagensatz von -0,5 % auf 4,0 % angehoben. Diese Maßnahmen waren eine direkte Reaktion auf die galoppierende Inflation, die in einigen Ländern der Eurozone zweistellige Werte erreichte.
Die EZB argumentierte, dass entschlossenes Handeln notwendig sei, um die Inflationserwartungen zu verankern und eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Ohne diese Maßnahmen, so die Befürchtung, könnte sich die hohe Inflation verfestigen und die Kaufkraft der Bürger dauerhaft untergraben. Kritiker werfen der EZB jedoch vor, zu lange gezögert und die Inflation zunächst als „vorübergehend“ abgetan zu haben. Der späte, aber dafür umso heftigere Kurswechsel wird von manchen als sadomonetaristisch interpretiert.
Die Politik der EZB trifft die Mitgliedstaaten der Eurozone sehr unterschiedlich. Länder mit hoher Staatsverschuldung wie Italien oder Griechenland spüren den Druck der steigenden Zinskosten für ihre Staatsschulden besonders stark. Gleichzeitig leidet die exportorientierte deutsche Wirtschaft unter der gedämpften globalen Nachfrage, die durch die weltweiten Zinserhöhungen mitverursacht wird. Die EZB steht vor der Herausforderung, eine einheitliche Geldpolitik für 20 sehr unterschiedliche Volkswirtschaften zu gestalten – ein Balanceakt, bei dem wirtschaftliche Schmerzen in einigen Regionen kaum zu vermeiden sind.
Die Auswirkungen auf Deutschland und Europa
Die sadomonetaristische Politik der EZB hat spürbare Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft, die ohnehin schon mit strukturellen Herausforderungen wie hohen Energiekosten und dem demografischen Wandel kämpft. Die höheren Zinsen haben den deutschen Immobiliensektor stark getroffen. Die Nachfrage nach Baufinanzierungen ist eingebrochen, was zu einem Stillstand vieler Bauprojekte führt. Bauunternehmen und Handwerksbetriebe leiden unter Auftragsmangel, und die Zahl der Insolvenzen in der Baubranche ist gestiegen.
Gleichzeitig dämpft die restriktive Geldpolitik die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Laut Umfragen des ifo Instituts hat sich das Geschäftsklima in Deutschland deutlich eingetrübt. Unternehmen zögern, in die Erweiterung ihrer Kapazitäten zu investieren, wenn die Finanzierungsbedingungen ungünstig sind und die wirtschaftlichen Aussichten unsicher bleiben. Dies birgt die Gefahr, dass Deutschland bei wichtigen Zukunftstechnologien den Anschluss verliert und seine langfristige Wettbewerbsfähigkeit geschwächt wird.
Für Sparer in Deutschland sind die höheren Zinsen auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Nach Jahren der Nullzinsen gibt es endlich wieder nennenswerte Renditen auf Tages- und Festgeldkonten. Dies hilft, die Verluste durch die Inflation zumindest teilweise auszugleichen. Allerdings ist der Realzins – der Zins nach Abzug der Inflation – oft immer noch negativ. Das bedeutet, dass die Kaufkraft des Ersparten trotz der Zinswende weiter abnimmt. Zudem profitieren vor allem diejenigen, die über größere liquide Mittel verfügen, während Schuldner und Kreditnehmer die Lasten tragen.
Soziale Ungleichheit und Verteilungsfragen
Eine der schärfsten Kritiken am Sadomonetarismus betrifft seine Auswirkungen auf die soziale Ungleichheit. Eine restriktive Geldpolitik trifft verschiedene Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich. Menschen mit geringerem Einkommen sind oft stärker von einer wirtschaftlichen Abkühlung betroffen. Sie arbeiten häufiger in konjunktursensiblen Branchen wie dem Baugewerbe oder der Leiharbeit, wo Arbeitsplätze bei einem Abschwung als Erstes gefährdet sind.
Zudem haben sie seltener Ersparnisse, von denen sie in Krisenzeiten zehren oder die von höheren Zinsen profitieren könnten. Stattdessen sind sie stärker auf Konsumkredite angewiesen, die teurer werden. Die steigenden Lebenshaltungskosten durch die Inflation werden durch die Angst vor Jobverlust und stagnierende Löhne bei einer Rezession noch verschärft. Die Last der Inflationsbekämpfung wird somit überproportional auf die Schultern derjenigen geladen, die am wenigsten dazu beigetragen haben.
Auf der anderen Seite können vermögende Haushalte von der Situation profitieren. Sie besitzen oft ein diversifiziertes Portfolio aus Aktien, Anleihen und Immobilien. Während einige Vermögenswerte leiden, bieten höhere Zinsen neue Anlagemöglichkeiten, zum Beispiel in hochverzinslichen Staatsanleihen. Diese ungleiche Verteilung der Lasten und Chancen kann die soziale Spaltung in der Gesellschaft vertiefen und den politischen Zusammenhalt in Deutschland und Europa gefährden. Kritiker argumentieren, dass eine rein auf monetäre Ziele ausgerichtete Politik die sozialen Konsequenzen ausblendet und damit langfristig mehr schadet als nützt.
Alternativen und Kritik am sadomonetaristischen Ansatz
Der sadomonetaristische Ansatz ist keineswegs alternativlos. Viele Ökonomen und politische Akteure argumentieren, dass eine reine Fokussierung auf die Geldpolitik nicht ausreicht, um die komplexe Natur der aktuellen Inflation zu bekämpfen. Ein Großteil des Preisdrucks entstand durch angebotsseitige Schocks wie unterbrochene Lieferketten nach der Pandemie und den sprunghaften Anstieg der Energiepreise infolge des Ukraine-Kriegs. Eine Drosselung der Nachfrage durch hohe Zinsen kann diese angebotsseitigen Probleme nicht lösen.
Eine alternative Strategie wäre ein koordinierter Policy-Mix, der Geld-, Fiskal- und Strukturpolitik kombiniert. Anstatt die Wirtschaft pauschal abzubremsen, könnte die Fiskalpolitik gezielte Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören Entlastungen für einkommensschwache Haushalte, die besonders unter den hohen Energie- und Lebensmittelpreisen leiden. Gleichzeitig könnte der Staat in die Angebotsseite investieren, zum Beispiel durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und die Energiepreise langfristig zu stabilisieren.
Strukturpolitische Maßnahmen könnten darauf abzielen, Engpässe in den Lieferketten zu beseitigen und den Wettbewerb in bestimmten Sektoren zu stärken, um übermäßige Preissteigerungen zu verhindern. Einige Ökonomen plädieren auch für eine stärkere Koordination zwischen Zentralbanken und Regierungen. Anstatt dass die Geldpolitik die expansive Fiskalpolitik der Pandemiezeit konterkariert, könnten beide an einem Strang ziehen, um Inflation zu bekämpfen, ohne eine tiefe Rezession auszulösen.
Die Suche nach einem ausgewogenen Weg
Die zentrale Kritik am Sadomonetarismus lautet, dass er zu eindimensional ist und die sozialen Kosten ignoriert. Eine Rezession zur Inflationsbekämpfung in Kauf zu nehmen, bedeutet, Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Not zu akzeptieren. Dies kann nicht nur zu individuellem Leid führen, sondern auch langfristige wirtschaftliche Schäden verursachen. Langzeitarbeitslosigkeit führt zum Verlust von Qualifikationen, und Unternehmensinsolvenzen zerstören dauerhaft produktive Kapazitäten.
Ein ausgewogenerer Ansatz würde versuchen, die Inflation zu kontrollieren, ohne die Wirtschaft abzuwürgen. Dies könnte bedeuten, dass die Zentralbanken eine moderatere Gangart bei den Zinserhöhungen wählen und akzeptieren, dass es etwas länger dauert, das Inflationsziel von 2 % wieder zu erreichen. Diese Strategie wird als „gradualistisch“ bezeichnet. Sie birgt das Risiko, dass sich die Inflationserwartungen verfestigen, wenn die Zentralbank als nicht ausreichend entschlossen wahrgenommen wird.
Letztendlich geht es um eine politische Abwägung: Welchen Preis ist eine Gesellschaft bereit zu zahlen, um Preisstabilität zu erreichen? Die Debatte über Sadomonetarismus ist daher mehr als nur eine technische Diskussion unter Ökonomen. Es ist eine grundlegende Frage über die Prioritäten der Wirtschaftspolitik und die Verteilung von Lasten in Krisenzeiten. Für die Zukunft Europas und Deutschlands wird es entscheidend sein, einen Weg zu finden, der sowohl finanzielle Stabilität gewährleistet als auch den sozialen Zusammenhalt sichert.
Fazit
Sadomonetarismus beschreibt eine rigorose Geldpolitik, die bewusst kurzfristige wirtschaftliche Schmerzen in Kauf nimmt, um das langfristige Ziel der Preisstabiliät zu erreichen. Durch aggressive Zinserhöhungen und die Reduzierung der Geldmenge wird die Wirtschaft gezielt abgekühlt, um die Inflation zu brechen. Historische Beispiele wie der „Volcker-Schock“ in den USA zeigen, dass dieser Ansatz erfolgreich sein kann, aber oft mit hohen sozialen Kosten wie Rezession und Arbeitslosigkeit verbunden ist.
In der aktuellen Situation steht die Europäische Zentralbank in der Kritik, mit ihrem schnellen Zinserhöhungszyklus einen sadomonetaristischen Kurs zu fahren. Die Auswirkungen sind in ganz Europa und besonders in Deutschland spürbar: Der Bausektor leidet, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen sinkt und die Belastungen treffen einkommensschwache Haushalte überproportional stark. Während Sparer von höheren Zinsen profitieren, wächst die soziale Ungleichheit. Die Debatte zeigt, dass eine rein auf monetäre Ziele fixierte Politik an ihre Grenzen stößt und die Notwendigkeit eines ausgewogeneren Ansatzes, der auch fiskalische und soziale Aspekte berücksichtigt, immer deutlicher wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Was ist der Unterschied zwischen Monetarismus und Sadomonetarismus?
Monetarismus ist eine etablierte Wirtschaftstheorie, die die Steuerung der Geldmenge als zentrales Instrument zur Kontrolle von Inflation und Konjunktur sieht. Sadomonetarismus ist ein kritischer, polemischer Begriff, der eine extreme Form des Monetarismus beschreibt, bei der die Bekämpfung der Inflation so stark priorisiert wird, dass negative soziale Folgen wie hohe Arbeitslosigkeit oder eine Rezession bewusst in Kauf genommen werden.
Wer profitiert von einer sadomonetaristischen Politik?
Kurzfristig können Sparer und Inhaber von Geldvermögen von den steigenden Zinsen profitieren. Langfristig sollen alle von einer stabilen Währung und niedriger Inflation profitieren. Kritiker argumentieren jedoch, dass vor allem Vermögende und der Finanzsektor profitieren, während Arbeitnehmer, Kreditnehmer und konjunkturabhängige Branchen die Hauptlast der wirtschaftlichen Abkühlung tragen.
Gibt es Alternativen zum Sadomonetarismus zur Inflationsbekämpfung?
Ja, es gibt mehrere Alternativen. Dazu gehört ein Policy-Mix, bei dem die Geldpolitik durch gezielte Fiskalpolitik (z.B. Entlastungen für arme Haushalte) und angebotsseitige Maßnahmen (z.B. Investitionen in erneuerbare Energien) ergänzt wird. Ein anderer Ansatz ist eine gradualistischere Geldpolitik, die die Zinsen langsamer anhebt, um eine tiefe Rezession zu vermeiden, auch wenn es länger dauert, das Inflationsziel zu erreichen.
Warum verfolgt die EZB eine so strenge Geldpolitik?
Die EZB verfolgt eine strenge Geldpolitik, weil ihr primäres Mandat die Gewährleistung der Preisstabilität in der Eurozone ist, definiert als eine Inflationsrate von 2 %. Angesichts der historisch hohen Inflation sah sie sich zum Handeln gezwungen, um zu verhindern, dass sich hohe Inflationserwartungen verfestigen und eine Lohn-Preis-Spirale entsteht, die die Kaufkraft dauerhaft schädigen würde.