In der epischen Welt von Westeros gibt es kein Haus, das so sehr Faszination und Schrecken zugleich auslöst wie das Haus Targaryen. Mit ihren silbernen Haaren, violetten Augen und der einzigartigen Fähigkeit, Drachen zu beherrschen, eroberten sie einen Kontinent und schmiedeten eine Dynastie, die über Jahrhunderte andauerte. Doch die HBO-Serie „House of the Dragon“ zeigt uns nicht nur den glorreichen Höhepunkt ihrer Macht, sondern auch die tiefen Risse im Fundament ihres Imperiums. Die Serie ist eine meisterhafte Chronik darüber, wie eine Familie, die auf dem Gipfel der Welt stand, durch innere Konflikte, Arroganz und den unstillbaren Durst nach Macht dem eigenen Untergang entgegentaumelte.
Die Geschichte der Targaryens ist eine griechische Tragödie, die mit Feuer und Blut geschrieben wurde. Sie lehrt uns, dass die größten Bedrohungen oft nicht von äußeren Feinden ausgehen, sondern aus dem eigenen Haus. Der als „Tanz der Drachen“ bekannte Bürgerkrieg war nicht nur ein Konflikt um die Thronfolge; er war der Wendepunkt, der das Schicksal der Drachenlords besiegelte und den langen, schmerzhaften Abstieg einleitete, der erst Generationen später mit Daenerys Targaryen einen neuen, tragischen Höhepunkt finden sollte. Wir tauchen tief in die Dynamik der Familie ein, analysieren die entscheidenden Momente ihres Aufstiegs und die fatalen Fehler, die zu ihrem unvermeidlichen Fall führten.
Der Aufstieg zur Macht: Wie die Drachenlords Westeros eroberten
Um den Fall zu verstehen, müssen wir den Aufstieg begreifen. Die Targaryens waren einst nur eine von vielen adligen Familien im alten Valyria. Doch sie überlebten den Untergang ihrer Heimat, weil sie sich auf die karge Felseninsel Drachenstein zurückgezogen hatten. Von dort aus startete Aegon der Eroberer mit seinen beiden Schwestern-Ehefrauen, Visenya und Rhaenys, und ihren drei gewaltigen Drachen – Balerion, Vhagar und Meraxes – die Eroberung von Westeros.
Ihre Drachen waren die ultimative Waffe. Armeen schmolzen vor ihnen dahin, und Burgen, die als uneinnehmbar galten, wurden zu Asche und Schutt. Die Herrscher von Westeros beugten das Knie, nicht vor den Targaryens, sondern vor der atomaren Macht ihrer Drachen. So entstand eine Dynastie, die auf zwei Säulen ruhte: der Furcht vor ihren Drachen und dem valyrischen Brauch, innerhalb der Familie zu heiraten, um die Blutlinie rein zu halten. Diese inzestuösen Verbindungen, die ihnen ihre einzigartige Verbindung zu den Drachen erhalten sollten, trugen jedoch auch den Keim des Wahnsinns in sich – eine tickende Zeitbombe, die das Haus von innen heraus zu zerstören drohte.
Der Zenit der Macht unter König Jaehaerys I.
Die Herrschaft, die in „House of the Dragon“ dargestellt wird, beginnt nach der langen und größtenteils friedlichen Regentschaft von König Jaehaerys I., dem „Alten König“. Unter seiner Führung erreichte das Haus Targaryen seinen absoluten Zenit. Es gab mehr Drachen und Drachenreiter als je zuvor, der Wohlstand des Reiches wuchs, und die Königsfamilie schien unantastbar.
Doch selbst auf dem Höhepunkt der Macht zeigten sich die ersten Risse. Jaehaerys überlebte alle seine Söhne, was zu einer Nachfolgekrise führte. Anstatt die Thronfolge nach traditionellem Recht seiner ältesten Enkelin Rhaenys zu überlassen, berief er einen Großen Rat ein. Dieser Rat wählte seinen Enkel Viserys zum Thronfolger, einzig und allein, weil er ein Mann war. Mit dieser Entscheidung wurde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen: Das Recht einer Frau auf den Eisernen Thron wurde offiziell verneint. Rhaenys wurde zur „Königin, die niemals war“ – ein Titel, der die schwelende Ungerechtigkeit und den Sexismus im Herzen von Westeros auf den Punkt brachte. Diese Entscheidung legte den Grundstein für den kommenden Bürgerkrieg.
Die fatalen Risse im Fundament: Viserys‘ Regentschaft
König Viserys I., gespielt von Paddy Considine, ist eine tragische Figur. Er ist ein im Grunde gutmütiger Mann, der den Frieden seines Vaters bewahren will, aber seine Entscheidungen sind von Schwäche und dem verzweifelten Wunsch nach einem männlichen Erben geprägt.
Die Thronfolge: Rhaenyra gegen Aegon
Nach dem Tod seiner Frau bei der Geburt seines ersehnten, aber nur kurzlebigen Sohnes, trifft Viserys eine folgenschwere Entscheidung: Er ernennt seine Tochter Rhaenyra Targaryen offiziell zu seiner Erbin und lässt die Lords von Westeros ihr die Treue schwören. Dies ist ein radikaler Bruch mit der Entscheidung des Großen Rates und ein Versuch, das Unrecht an Rhaenys wiedergutzumachen.
Doch dann heiratet Viserys erneut, und zwar Alicent Hohenturm (Hightower), die ihm mehrere Söhne schenkt, darunter den erstgeborenen Aegon II. Targaryen. Von diesem Moment an ist der Konflikt vorprogrammiert. Auf der einen Seite steht Rhaenyra, die ernannte Erbin, die von ihrem Vater unterstützt wird. Auf der anderen Seite steht Aegon, der erstgeborene Sohn, der nach andalusischer Tradition den Vorzug hätte. Die Rivalität zwischen den beiden Frauen, Rhaenyra und Alicent, die einst beste Freundinnen waren, wird zum Spiegelbild des geteilten Reiches. Ihre Anhänger formieren sich in zwei Lager: die „Schwarzen“ (die Rhaenyra unterstützen) und die „Grünen“ (die auf der Seite von Alicent und Aegon stehen).

Die Rolle von Daemon Targaryen
Die explosive Mischung wird durch Daemon Targaryen, Viserys‘ unberechenbaren und ehrgeizigen jüngeren Bruder, weiter angeheizt. Daemon ist ein charismatischer, aber auch brutaler Krieger und Drachenreiter. Er verkörpert das Feuer und Blut der Targaryens in seiner reinsten und gefährlichsten Form. Seine komplizierte und inzestuöse Beziehung zu seiner Nichte Rhaenyra, die schließlich in einer Ehe mündet, stärkt zwar ihren Anspruch, entfremdet aber viele am Hof und gießt Öl ins Feuer des Konflikts.
Die Serie stellt brillant dar, wie persönliche Fehden, verletzter Stolz und politische Ambitionen eine unaufhaltsame Dynamik entwickeln. Viserys‘ Unfähigkeit, eine endgültige und unmissverständliche Entscheidung zu treffen und diese auch durchzusetzen, erweist sich als fatal. Er hinterlässt ein Reich, das bereit ist, sich selbst zu zerfleischen.
Der Tanz der Drachen: Der Anfang vom Ende
Der Tod von König Viserys ist der Funke, der das Pulverfass zur Explosion bringt. Die Grünen, angeführt von Otto Hohenturm, krönen Aegon II. in Königsmund, während Rhaenyra auf Drachenstein weilt. Als sie davon erfährt, lässt sie sich ebenfalls zur Königin krönen. Damit gibt es zwei Monarchen, die den Eisernen Thron beanspruchen. Der Krieg ist unvermeidlich.
Der „Tanz der Drachen“ ist der grausamste Konflikt, den Westeros je gesehen hat. Es ist ein Krieg, in dem Drache gegen Drache kämpft. Die mächtigsten Waffen der Welt werden gegeneinander eingesetzt, was zu einer unvorstellbaren Zerstörung führt. Städte brennen, Ländereien werden verwüstet, und ganze Adelsfamilien werden ausgelöscht.
Konfliktparteien im Tanz der Drachen | Anführer | Wichtige Unterstützer | Hauptdrachen |
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Die Schwarzen | Rhaenyra Targaryen | Daemon Targaryen, Haus Velaryon, die Starks | Syrax, Caraxes, Meleys, Seasmoke |
Die Grünen | Aegon II. Targaryen | Alicent Hohenturm, Otto Hohenturm, Haus Lannister, Haus Baratheon | Sonnenfeuer, Vhagar, Traumfeuer |
Dieser Bruderkrieg ist der wahre Wendepunkt für das Haus Targaryen. Am Ende gibt es keine Gewinner. Rhaenyra und Aegon II. sterben beide auf grausame Weise. Weitaus schlimmer ist jedoch, dass fast alle Drachen im Laufe des Krieges getötet werden. Die Quelle der Macht der Targaryens ist versiegt. Rhaenyras Sohn, Aegon III., besteigt zwar den Thron, aber er regiert über ein gebrochenes Reich und wird als „Drachenbann“ bekannt, da unter seiner Herrschaft die letzten Drachen sterben.
Die Ironie des Schicksals: Hohenturm gegen Targaryen
Ein interessanter Aspekt, der durch die Ereignisse in der Serie und die Andeutungen für Staffel 3 beleuchtet wird, ist die langfristige Rivalität zwischen den Targaryens und den Hohenturms. Eine durchgesickerte Szene zeigt Daemon, wie er seine Truppen mit den Worten anfeuert, sie würden als diejenigen in die Geschichte eingehen, die das „Ende der Hohenturms“ einleiteten.
Die Ironie könnte nicht größer sein. Während der Tanz der Drachen das Haus Targaryen an den Rand der Auslöschung bringt und ihre Drachen vernichtet, überlebt das Haus Hohenturm. Sie ziehen sich zurück, konsolidieren ihre Macht in Altsass und bleiben eine der reichsten und einflussreichsten Familien in Westeros. Fast 200 Jahre später, zur Zeit von „Game of Thrones“, sind die Targaryens eine fast ausgestorbene Dynastie im Exil, während die Hohenturms durch die Heirat von Margaery Tyrell (deren Mutter eine Hohenturm ist) mit dem König immer noch Einfluss auf den Thron haben. Daemons Worte erweisen sich als tragisch falsch und unterstreichen, wie kurzsichtig und selbstzerstörerisch der Hass der Targaryens war.
Der lange Fall: Von Aegon III. bis zum wahnsinnigen König
Nach dem Tanz der Drachen beginnt der langsame, aber unaufhaltsame Abstieg. Die Targaryens sind keine gottgleichen Drachenlords mehr, sondern nur noch Könige, die sich auf politische Allianzen und die Loyalität ihrer Vasallen verlassen müssen. Ohne Drachen sind sie verwundbar.
Die folgenden Generationen sind von Tragödien, Rebellionen und dem immer wiederkehrenden Wahnsinn geprägt:
- Schwarzfeuer-Rebellionen: Mehrere Bürgerkriege, die von unehelichen Nachkommen der Targaryens angezettelt werden, schwächen die Krone weiter.
- Die Tragödie von Sommerhall: Ein Versuch, Drachen wieder zum Leben zu erwecken, endet in einer katastrophalen Feuersbrunst, die König Aegon V. und viele Mitglieder seiner Familie das Leben kostet.
- Der Wahnsinn von Aerys II.: Der letzte Targaryen-König, bekannt als der „Wahnsinnige König“, versinkt in Paranoia und Grausamkeit. Seine Schreckensherrschaft führt schließlich zu Roberts Rebellion, die das Ende der Targaryen-Dynastie besiegelt.
Am Ende der Rebellion wird Aerys von seinem eigenen Königsgardisten, Jaime Lannister, getötet. Sein Sohn Rhaegar fällt in der Schlacht am Trident. Nur seine jüngsten Kinder, Viserys und Daenerys, können ins Exil nach Essos fliehen. Das Haus Targaryen, das einst Westeros mit Feuer und Blut eroberte, ist am Ende.
Fazit: Eine Lektion über Macht und Selbstzerstörung
„House of the Dragon“ ist mehr als nur ein Prequel. Es ist eine tiefgründige Analyse darüber, wie Macht korrumpiert und wie selbst die mächtigsten Dynastien von innen heraus zerfallen können. Der Höhepunkt der Targaryens war gleichzeitig der Beginn ihres Untergangs. Ihre größte Stärke – die Drachen – wurde zur Waffe ihrer eigenen Zerstörung. Ihr Stolz und ihre Unfähigkeit, Kompromisse einzugehen, führten zu einem Krieg, der das Reich verwüstete und ihre Familie für immer veränderte.
Die Geschichte der Targaryens ist eine zeitlose Warnung. Sie zeigt, dass Arroganz, interne Machtkämpfe und die Weigerung, sich anzupassen, selbst das größte Imperium zu Fall bringen können. Der Tanz der Drachen war kein Tanz der Herrlichkeit, sondern ein Totentanz, dessen Echos noch Jahrhunderte später in Westeros zu hören sind. Die Flamme der Targaryens brannte unglaublich hell, aber wie jede Flamme, die zu hoch schlägt, war sie dazu verdammt, sich selbst zu verzehren und am Ende nur Asche zu hinterlassen. Die kommenden Staffeln werden diesen schmerzhaften Prozess zweifellos mit aller epischen und tragischen Wucht weiter enthüllen.