Der Tod des einflussreichen türkischen Predigers Fethullah Gülen im US-amerikanischen Exil markiert das Ende eines außergewöhnlichen Lebens. Als Gründer der Hizmet-Bewegung hatte Gülen bedeutenden Einfluss auf Bildung, Religion und Politik – sowohl in der Türkei als auch international.
Doch genauso wie er für seine Anhänger als Vorbild galt, war er für andere, insbesondere die türkische Regierung, eine umstrittene Figur. In diesem Artikel beleuchten wir Gülens Leben, seine Mission und die Auswirkungen seines Todes auf die politische Landschaft der Türkei.
Wer war Fethullah Gülen?
Fethullah Gülen wurde 1941 in einem Dorf in der osttürkischen Provinz Erzurum geboren. Der Sohn eines Imams trat schon früh in die Fußstapfen seines Vaters und widmete sich dem Studium des Korans. Seine ersten Schritte als Prediger machte er in den 1960er Jahren, als er begann, in Izmir Studentenwohnheime zu gründen. Diese Wohnheime legten den Grundstein für die Hizmet-Bewegung, die sich in den folgenden Jahrzehnten weltweit ausbreiten sollte.
Die Hizmet-Bewegung: Bildung und interreligiöser Dialog
Die Hizmet-Bewegung, was auf Türkisch „Dienst“ bedeutet, gründete sich auf Gülens Überzeugung, dass Bildung der Schlüssel zu einem modernen, wohlhabenden und friedlichen Islam sei. Neben religiösen Aspekten betonte Gülen die Bedeutung von Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften. Unter seiner Führung baute die Bewegung weltweit Schulen, Nachhilfezentren und Kindergärten auf, die für ihre qualitativ hochwertige Ausbildung bekannt wurden.
Besonders in Deutschland konnte die Hizmet-Bewegung Fuß fassen, wo sie mehrere Bildungsinstitutionen und interreligiöse Dialogvereine betreibt. Gülens Philosophie des friedlichen Dialogs zwischen den Religionen führte sogar dazu, dass er von Papst Johannes Paul II. empfangen wurde. Trotz seines konservativen Islamverständnisses war er also offen für den Austausch zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen.
Vom Vertrauten zum Widersacher: Die Beziehung zu Erdogan
In den 2000er Jahren unterstützte Gülen Recep Tayyip Erdogan, den damaligen aufstrebenden Politiker und heutigen Präsidenten der Türkei. Beide teilten das Ziel, die säkulare Elite der Türkei zu schwächen. Doch diese Partnerschaft endete abrupt im Jahr 2013, als Ermittlungen wegen Korruption gegen hochrangige Regierungsbeamte eingeleitet wurden. Erdogan beschuldigte die Hizmet-Bewegung, hinter diesen Untersuchungen zu stecken, und erklärte sie 2016 nach einem gescheiterten Putschversuch zur terroristischen Organisation.
Der Putschversuch 2016
Der Juli 2016 markierte einen Wendepunkt in der Beziehung zwischen Erdogan und Gülen. Teile des türkischen Militärs versuchten, die Macht im Land zu übernehmen, doch der Putschversuch scheiterte innerhalb weniger Stunden. Erdogan beschuldigte sofort Gülen und seine Anhänger, den Umsturz geplant zu haben, obwohl Gülen jede Beteiligung vehement bestritt. Seitdem wurde die Hizmet-Bewegung in der Türkei massiv verfolgt, tausende Anhänger wurden verhaftet oder aus dem öffentlichen Dienst entlassen.
Gülens Tod im Exil: Auswirkungen auf die Türkei und seine Bewegung
Am 20. Oktober 2024 verstarb Fethullah Gülen im Alter von 83 Jahren in einem Krankenhaus in Pennsylvania, USA, wo er seit 1999 im Exil gelebt hatte. Sein Tod wirft nun viele Fragen auf: Was wird aus der Hizmet-Bewegung, die weiterhin in vielen Ländern aktiv ist? Und wie wird die türkische Regierung auf den Tod ihres Erzfeindes reagieren?
Das Erbe von Fethullah Gülen
Obwohl Gülen eine umstrittene Figur war, bleibt sein Einfluss auf die türkische Gesellschaft und die globale Bildungslandschaft unbestritten. Während seine Anhänger ihn als eine Führungspersönlichkeit sehen, die sich für ein friedliches Miteinander der Kulturen und Religionen einsetzte, wird er in der Türkei als Staatsfeind betrachtet.
Gülens Bewegung hat weltweit Anhänger und Bildungsinstitutionen, die seinen Idealen treu bleiben. Doch ohne die charismatische Führungsfigur stellt sich die Frage, ob die Bewegung in der Lage sein wird, weiterhin eine so bedeutende Rolle zu spielen.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Wer war Fethullah Gülen?
Fethullah Gülen war ein türkischer Prediger und Gründer der Hizmet-Bewegung, die sich weltweit für Bildung und interreligiösen Dialog einsetzt. Er lebte seit 1999 im Exil in den USA.
Warum war Gülen in der Türkei so umstritten?
Gülen war ursprünglich ein Unterstützer von Präsident Erdogan, wurde jedoch nach dem Putschversuch 2016 beschuldigt, diesen geplant zu haben. Seither wird seine Bewegung in der Türkei als terroristisch eingestuft.
Was ist die Hizmet-Bewegung?
Die Hizmet-Bewegung, auch Gülen-Bewegung genannt, setzt sich für Bildung und interreligiösen Dialog ein. Sie betreibt weltweit Schulen und Bildungseinrichtungen.
Welche Rolle spielte Gülen beim Putschversuch 2016?
Obwohl die türkische Regierung Gülen und seine Anhänger für den Putschversuch verantwortlich machte, bestritt Gülen jede Beteiligung.
Was passiert jetzt mit der Hizmet-Bewegung?
Es bleibt abzuwarten, wie die Hizmet-Bewegung ohne ihren Gründer weiter agieren wird. Die Bewegung ist in vielen Ländern aktiv, doch ihr Einfluss könnte ohne Gülen schwinden.
Fazit: Das Vermächtnis eines Predigers
Der Tod von Fethullah Gülen markiert das Ende eines Kapitels in der türkischen Geschichte, das von politischen Kämpfen, Bildungsreformen und interreligiösem Dialog geprägt war. Während er für viele ein Symbol der Hoffnung und des Friedens darstellte, bleibt er für andere eine kontroverse Figur. Gülens Einfluss auf die globale Bildungslandschaft und die türkische Politik wird noch lange nach seinem Tod spürbar sein.