„Ich habe meine Lebensversicherung aufgelöst, während er in Dubai das Leben genießt.“ Diese Worte stammen von Soraya*, einer der vielen Betroffenen, die sich betrogen fühlen. Sie hat 40.000 Schweizer Franken in ein Dropshipping-Konzept investiert und blieb auf ihren Kosten sitzen. Warum gelingt es Influencern wie Donya und Melih, mit leeren Versprechungen vom schnellen Reichtum ihre Kunden finanziell auszunehmen – während sie selbst ein Luxusleben in Dubai führen? Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe.
Der Schein des Luxus auf Instagram
Donya und Melih präsentieren sich in sozialen Netzwerken wie Instagram als erfolgreiche Selfmade-Unternehmer. Glamouröse Bilder in teurer Designermode, vor Luxusautos oder beim Jetset-Leben quer durch die Welt wecken den Traum vom finanziellen Durchbruch. Beide werben gezielt für ihre Firma Beeboss, die Komplettlösungen für Online-Shops und sogenannte Dropshipping-Academy-Kurse anbietet.
Interessierten wird der Start in die Welt des Online-Handels leicht gemacht. Professioneller Shop-Aufbau, automatisierte Prozesse und sogar eine KI, die angeblich Traffic generiert, versprechen den schnellen Zugang zu Wohlstand. Doch Soraya und zahlreiche andere Kunden berichten von gebrochenen Versprechen und großen Verlusten.

Die Realität hinter den rosigen Versprechungen
Soraya investierte einen Großteil ihrer Ersparnisse für ein Komplettpaket, welches einen startklaren Online-Shop, Produktbeschaffung, Beratung und Mentoring enthielt. Doch anstelle des versprochenen Traumgeschäfts erhielt sie unvollständige, unbrauchbare Leistungen. Nach Bezahlung ihrer Rechnung sei der Kontakt zu den Gründern von Beeboss abgebrochen. Auch Monate später war der Shop nicht online.
Ähnliche Erfahrungen machten Lisa und Mara, die 1000 Franken für die Dropshipping-Academy zahlten. Sie bemängeln, dass die Inhalte oberflächlich und chaotisch sind, während der tatsächliche Support praktisch nonexistent sei. „Alles, was hier verkauft wird, findet man kostenlos und in besserer Qualität auf YouTube“, betonen beide. Kritik in den Kundenchatgruppen werde jedoch nicht toleriert – wer Missstände anspricht, fliegt aus den Chats.

Ein weiterer schwerwiegender Punkt ist die Anleitung, die Academy-Teilnehmern gibt, um Inhalte anderer Shops oder Influencer zu kopieren. Dieses Vorgehen führte bei einigen Kunden zu teuren Abmahnungen in Höhe von mehreren Tausend Franken.
Was ist Dropshipping überhaupt?
Dropshipping ist eine E-Commerce-Methode, bei der Händler die Produkte nicht selbst lagern oder verschicken. Stattdessen vermittelt der Händler die Bestellung, und der Lieferant versendet die Ware direkt an den Kunden. Obwohl Händler Zeit und Kosten für Lagerhaltung sparen, steht der Gewinn ganz wesentlich im Verhältnis zur Marge – diese ist im Dropshipping-Bereich in der Regel minimal. Experten betonen, dass das Geschäftsmodell heutzutage nur in wenigen Nischen langfristig erfolgreich ist.
Zweifel an der Authentizität des Erfolgs
SRF-Analysen werfen Zweifel an der Echtheit der Erfolgsgeschichten von Beeboss-Kunden auf. Zugangsdaten der angeblich stark frequentierten Online-Shops lassen auf automatisch generierten Traffic durch einen Bot schließen. Diese Zugriffe stammen aus einer einzigen Region in den USA – ein klares Indiz für künstlich erzeugte Zahlen.
Auf Social Media verbreiten Donya und Melih derweil Erfolgsgeschichten, um sich als Profis im Bereich E-Commerce darzustellen. Sie verlinken öffentlich stolz einen Artikel im renommierten Magazin “Forbes”, der ihre Unternehmerqualitäten lobt. Doch was viele Follower nicht wissen – es handelt sich dabei um ein bezahltes Advertorial, das lediglich den Anschein eines redaktionellen Beitrags erweckt. Diese Inszenierung trägt dennoch dazu bei, die Glaubwürdigkeit ihrer Angebote zu verstärken.
Kritik und erste rechtliche Schritte
Während immer mehr Betroffene von finanziellen Verlusten berichten, äußert sich Donya öffentlich zu den Vorwürfen. Sie bestreitet jegliche Verantwortung für die Probleme ihrer Kunden und verweist darauf, dass Unternehmenserfolg Eigenverantwortung der Investoren voraussetzt. Die Academy biete umfassendes Schulungsmaterial, einschließlich wöchentlicher Live-Seminare.
Diese Aussagen stehen im Widerspruch zu den konkreten Erfahrungen der Teilnehmenden, die vor allem von fehlendem Nutzen und unzureichendem Support berichten. Kundin Alina etwa zahlte 12.000 Franken für einen Online-Shop, der nie online ging. Mittlerweile zieht sie einen Anwalt hinzu, obwohl auch dies mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
Für viele ihrer Opfer bleibt jedoch die Scham überwiegen. Sie haben Kredite aufgenommen, um die hohen Summen für Beeboss-Programme zu zahlen, und scheuen die finanziellen Risiken einer erneuten juristischen Auseinandersetzung.

Der systematische Betrug hinter der Fassade
Aus Sicht der Experten wie Anna Zakharova von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften gibt es eine klare Mechanik hinter diesem Geschäftsmodell. Influencer wie Donya und Melih spielen gezielt mit der Sehnsucht vieler Menschen, finanziell unabhängig und reich zu werden. „Das perfekte Instagram-Bild – mit Palmen, Porsches und Perfektion – suggeriert, dass Erfolg ein Shopping-Klick entfernt ist“, so Zakharova.
Doch die Realität sieht anders aus. Nur 1,5 % aller Dropshipping-Shops erzielen monatlich Umsätze von mehr als 50.000 US-Dollar. Das Vorgehen der Influencer basiert also darauf, eine angeblich erreichbare Erfolgsgeschichte als Norm zu verkaufen – trotz der sehr geringen Erfolgswahrscheinlichkeit.
Fazit – Hohes Risiko für geringe Chancen
Die Geschichte von Donya und Melih ist mehr als nur ein Einzelfall. Sie zeigt, wie leicht es ist, menschliche Hoffnungen auf Wohlstand und Unabhängigkeit für persönliche Gewinne auszunutzen. Gleichzeitig offenbart sie die Risiken einer Branche, die selbst für erfahrene Händler wenig Spielraum für Gewinn lässt.
Expertin Zakharova warnt, dass das Dropshipping-Modell langfristig nur noch für eine kleine Minderheit nachhaltigen Erfolg bringen kann. Die großen Gewinne, von denen Influencer berichten, seien längst der Vergangenheit angehörig.
Für Interessierte an Online-Businesses gilt daher vor allem eines – klare Recherche, gesunde Skepsis und die Abwägung finanzieller Risiken sollten immer an erster Stelle stehen.
*Namen geändert zur Anonymisierung