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Jetpack Joyride 2: Mehr als nur ein Klon? Eine gnadenlose Analyse der Fortsetzung einer Legende

Es gibt Spiele, die eine ganze Ära des mobilen Gamings definiert haben. Jetpack Joyride war so ein Spiel. Ein genial einfaches, aber unendlich süchtig machendes Meisterwerk, das auf Millionen von Smartphones lief und unzählige Stunden an Produktivität vernichtet hat. Über ein Jahrzehnt lang war Barry Steakfries‘ unendlicher Flug durch das Labor ein fester Bestandteil der mobilen Kultur. Und dann, nach einer Ewigkeit des Wartens, kam die Ankündigung: Jetpack Joyride 2. Die Erwartungen waren gigantisch, aber die Skepsis war es auch. Kann man ein perfektes Spielprinzip verbessern, ohne seine Seele zu verkaufen? Kann eine Fortsetzung nach so langer Zeit mehr sein als nur ein liebloser Aufguss, getrieben von Nostalgie und dem Wunsch nach schnellem Geld?

Ich habe Jetpack Joyride 2 seit seiner turbulenten Entwicklungsphase, dem überraschenden Apple-Arcade-Exklusiv-Deal und den darauffolgenden Updates intensiv begleitet. Meine Meinung dazu ist klar und vielleicht für einige hart: Jetpack Joyride 2 ist das Paradebeispiel für ein Spiel, das im Konflikt mit sich selbst steht. Es ist ein verzweifelter Versuch, die simple Genialität des Originals mit den komplexen Mechaniken moderner Mobile-Games zu kreuzen. Das Ergebnis ist ein faszinierendes, aber zutiefst fehlerhaftes Chimären-Wesen. Es ist ein Spiel, das in seinen besten Momenten an die alte Magie erinnert, nur um im nächsten Augenblick durch fragwürdige Design-Entscheidungen, unnötige Verkomplizierung und einen grundlegenden Identitätsverlust zu frustrieren. In dieser tiefgehenden Analyse werden wir die glänzende Fassade durchbrechen und herausfinden, was von dem ursprünglichen Joyride in dieser Fortsetzung wirklich übrig geblieben ist.

Vom endlosen Läufer zum Level-basierten Shooter: Die Kern-Häresie

Der fundamentalste und kontroverseste Wandel, den Jetpack Joyride 2 vollzieht, ist der Abschied vom Endlos-Runner-Prinzip. Das Original war die pure Essenz des Highscore-Jagens: Ein Lauf, ein Leben, ein Ziel – so weit wie möglich zu kommen. Diese gnadenlose Einfachheit war der Schlüssel zu seinem Suchtpotenzial. Die Fortsetzung wirft dieses Konzept über den Haufen und ersetzt es durch eine strukturierte, Level-basierte Kampagne.

Auf den ersten Blick mag das nach einer logischen Weiterentwicklung klingen. Statt endloser Korridore gibt es jetzt verschiedene Labore, thematische Welten und am Ende jedes Levels einen Bosskampf. Aber genau hier liegt das erste große Problem. Durch die Einführung von Levels und einem definierten Ende geht der Kernreiz des „Nur noch ein Versuch“-Gefühls verloren. Die Jagd nach dem persönlichen Distanzrekord, das Herzstück des Originals, existiert nicht mehr. Stattdessen arbeitet man eine lineare Karte ab, was sich schnell wie eine To-Do-Liste anfühlt, anstatt wie eine offene Jagd nach Ruhm.

Die zweite große Änderung: Barry hat jetzt eine Waffe

Als wäre der Abschied vom Endlos-Modus nicht schon radikal genug, führt Jetpack Joyride 2 eine weitere Mechanik ein, die das Spielgefühl grundlegend verändert: das Schießen. Barry feuert jetzt automatisch auf Wellen von Gegnern, die ihm entgegenkommen. Man steuert also nicht mehr nur die vertikale Bewegung, um Hindernissen auszuweichen, sondern muss sich auch aktiv um die Beseitigung von Feinden kümmern.

Meine kritische Analyse: Diese Entscheidung ist ein zweischneidiges Schwert, dessen stumpfe Seite leider öfter trifft.

  • Pro: In den ersten Minuten bringt das Geballer eine neue Dynamik ins Spiel. Es fühlt sich actionreicher an, wenn man Roboter-Schwärme mit einem Flammenwerfer oder Laserwaffen zerlegt. Es gibt einen befriedigenden, chaotischen Reiz.
  • Contra: Das Schießen lenkt vom eigentlichen Kern des Gameplays ab – dem präzisen Manövrieren des Jetpacks. Oft ist der Bildschirm so mit Gegnern, Projektilen und Effekten überladen, dass man kaum noch die eigentlichen Hindernisse wie Zapper oder Raketen erkennen kann. Das Spiel verliert seine elegante Einfachheit und wird zu einem unübersichtlichen, oft unfairen Kugel-Chaos. Es fühlt sich an, als hätten die Entwickler dem Spiel eine Identitätskrise verordnet: Es ist weder ein reinrassiger Runner noch ein vollwertiger Shoot ‚em up, sondern ein unentschlossener Hybrid.

Zusätzlich führt das Spiel eine Lebensleiste ein. Barry stirbt nicht mehr bei der ersten Berührung eines Hindernisses. Das senkt zwar die Einstiegshürde, raubt dem Spiel aber auch die Spannung und den Nervenkitzel. Der Tod im Original war final und lehrreich. Der Tod in Jetpack Joyride 2 ist oft nur ein Ärgernis, das durch das Aufsammeln von zufällig fallengelassenen Gesundheits-Pickups hinausgezögert wird.

Ein Ozean aus Upgrades: Fortschritt oder nur Beschäftigungstherapie?

Um die neue Level-Struktur und das Shooter-Gameplay zu rechtfertigen, hat Halfbrick Jetpack Joyride 2 mit einem überwältigenden System aus Upgrades, Währungen und Freischaltungen überflutet. Man kann fast alles verbessern:

  • Gesundheit und Angriff: Grundwerte, die Barry widerstandsfähiger und seine Waffe stärker machen.
  • Fahrzeuge: Die ikonischen Vehikel wie der „Crazy Freaking Teleporter“ oder der „Profit Bird“ kehren zurück, müssen aber nun durch Level-Aufstiege und Blaupausen freigeschaltet und verbessert werden.
  • Power-ups: Die Waffen selbst werden durch ein zufälliges Lootbox-System verbessert.
  • Badges: Passive Boni, die Barry ausrüsten kann, wie ein Magnet für Münzen.
  • Die Fabrik: Ein quasi-idle Management-System, das über Stunden hinweg langsam Ressourcen produziert.

Auf dem Papier klingt das nach viel Inhalt und Langzeitmotivation. In der Praxis entpuppt es sich jedoch als eine der größten Schwächen des Spiels.

Upgrade-SystemIntention des EntwicklersWahrnehmung des Spielers (kritisch)
Charakter-StatsGefühl von permanentem Fortschritt schaffen.Notwendiges „Grinding“, um künstlich schwierige Level zu meistern.
Fahrzeug-UpgradesDen Wiederspielwert der Fahrzeuge erhöhen.Zwingt Spieler, Ressourcen in Fahrzeuge zu stecken, anstatt sie einfach zu genießen.
Lootbox für Power-upsEin Element des Zufalls und der Sammlung hinzufügen.Frustrierend, da man nicht gezielt seine Lieblingswaffen verbessern kann. Fühlt sich wie eine monetarisierte Mechanik ohne Monetarisierung an.
Fabrik-SystemSpieler sollen auch außerhalb des Spiels belohnt werden.Ein unnötig langsames und passives System, das den Spielfluss unterbricht.

Meine Meinung ist hier unmissverständlich: Dieses exzessive Upgrade-System dient nicht dem Spielspaß, sondern der künstlichen Streckung der Spielzeit. Es fühlt sich an, als wären Mechaniken aus Free-to-Play-Spielen, die auf Monetarisierung ausgelegt sind, direkt in die Apple-Arcade-Version übernommen worden, nur ohne die Möglichkeit, mit Echtgeld abzukürzen. Das Ergebnis ist ein frustrierender Grind. Anstatt dass das eigene Geschick im Vordergrund steht, stößt man oft auf Level, die sich unmöglich anfühlen, nur um dann festzustellen, dass man erst stundenlang in der Fabrik warten oder unzählige Male alte Level wiederholen muss, um genug Münzen für das nächste Gesundheits-Upgrade zu sammeln. Das Spiel belohnt nicht den besseren Spieler, sondern den geduldigeren Grinder.

Entwicklungshölle und Exklusivitäts-Dilemma: Der Weg zum fertigen Spiel

Die holprige Erfahrung mit Jetpack Joyride 2 lässt sich teilweise durch seine turbulente Entwicklungsgeschichte erklären. Das Spiel wurde erstmals Anfang 2021 in einem Soft-Launch in wenigen Ländern veröffentlicht. Die Reaktionen waren gemischt, und die Entwickler schienen mit dem Feedback zu ringen. Im Februar 2022 zogen sie die Reißleine: Das Spiel wurde aus den App Stores entfernt und trat in eine „neue, geschlossene Entwicklungsphase“ ein. Ein drastischer Schritt, der zeigte, dass man bei Halfbrick selbst nicht vom eingeschlagenen Weg überzeugt war.

Die Wiedergeburt kam im August 2022 mit der überraschenden Ankündigung, dass Jetpack Joyride 2 exklusiv auf Apple Arcade erscheinen würde. Dieser Deal veränderte alles. Einerseits befreite er das Spiel von der Notwendigkeit für In-App-Käufe und Werbung – ein Segen für die Spieler. Andererseits schuf er ein neues Problem: Die Kernmechaniken, die offensichtlich für ein Free-to-Play-Modell entworfen wurden (lange Wartezeiten, mehrere Währungen, zufällige Lootboxen), blieben im Spiel, verloren aber ihren monetären Zweck. Sie existieren nun in einem seltsamen Vakuum und fühlen sich wie Fremdkörper an.

Darüber hinaus hat der Exklusiv-Deal die riesige Android-Fanbasis des Originals verprellt und für viel Unmut gesorgt. Halfbrick hat zwar vage Pläne für eine Android-Veröffentlichung nach Ablauf des Vertrags mit Apple (vermutlich 2025/2026) angedeutet, aber bis dahin bleibt ein großer Teil der Community ausgeschlossen.

Visuelle Neuausrichtung und Arcade-Modus: Die Lichtblicke

Bei all der Kritik gibt es auch Aspekte, in denen Jetpack Joyride 2 glänzt. Die visuelle Gestaltung ist einer davon. Der charmante Pixel-Art-Look des Originals wurde durch einen sauberen, hochauflösenden Cartoon-Stil ersetzt. Puristen mögen den alten Look vermissen, aber objektiv betrachtet sieht das neue Spiel scharf aus, die Animationen sind flüssig, und die Charaktere und Umgebungen sind detailreicher und ausdrucksstärker. Auf modernen hochauflösenden Displays wirkt der neue Stil einfach stimmiger.

Ein weiterer Pluspunkt ist der Arcade-Modus. Hier finden sich eine Reihe von Minispielen und täglichen Herausforderungen, die eine willkommene Abwechslung zur Hauptkampagne bieten. Ob man nun bestimmte Ziele treffen oder mit Eisraketen Hindernisse zerschmettern muss – diese kurzen, aufgabenbasierten Levels sind oft unterhaltsamer und fokussierter als die langen, repetitiven Hauptlevel. Ironischerweise fängt der Arcade-Modus den Geist des „kurz mal eine Runde spielen“ besser ein als das Hauptspiel selbst. Mit dem später hinzugefügten Boss Rush-Modus gibt es hier sogar eine echte Herausforderung für erfahrene Spieler, die sich durch alle 36 Bosse des Spiels kämpfen wollen.

Kritische Einordnung: Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück

Um die Qualität von Jetpack Joyride 2 fair zu bewerten, müssen wir es in drei Kontexten betrachten: als Fortsetzung, als Apple-Arcade-Titel und als eigenständiges Spiel.

  1. Als Fortsetzung: Hier versagt Jetpack Joyride 2 am deutlichsten. Es ignoriert die Kernelemente, die das Original zu einem zeitlosen Klassiker gemacht haben – die Einfachheit, den Highscore-Fokus, den puren, skill-basierten Spielspaß. Es versucht, eine Komplexität hinzuzufügen, nach der niemand gefragt hat, und verliert dabei seine Seele.
  2. Als Apple-Arcade-Titel: In diesem Umfeld, das frei von Mikrotransaktionen sein sollte, wirken die verbliebenen Free-to-Play-Mechaniken besonders deplatziert. Die künstlichen Wartezeiten und der Grind passen nicht zur Philosophie eines Premium-Abo-Dienstes, der für ungestörten Spielspaß steht.
  3. Als eigenständiges Spiel: Isoliert betrachtet ist Jetpack Joyride 2 ein kompetenter, wenn auch generischer mobiler Action-Plattformer. Die Steuerung ist präzise, die Präsentation ist poliert, und es gibt eine Menge Inhalte. Das Problem ist, dass es niemals isoliert existieren kann. Der Name „Jetpack Joyride“ weckt Erwartungen, die das Spiel nicht nur nicht erfüllt, sondern aktiv untergräbt.

Fazit: Eine verpasste Chance und ein Appell an die Entwickler

Jetpack Joyride 2 ist für mich eine der größten Enttäuschungen im mobilen Gaming der letzten Jahre. Nicht, weil es ein durch und durch schlechtes Spiel ist, sondern weil es das Erbe seines brillanten Vorgängers mit Füßen tritt. Halfbrick stand vor der unmöglichen Aufgabe, einen Blitz ein zweites Mal in der Flasche einzufangen. Anstatt auf die Stärken des Originals zu vertrauen und sie behutsam zu erweitern, entschied man sich für eine radikale Neuausrichtung, die dem Spiel seine einzigartige Identität raubt.

Das Spiel ertrinkt in seinen eigenen Systemen. Es will ein Story-basiertes Abenteuer, ein Shooter, ein Endlos-Runner und eine Management-Simulation zugleich sein und ist am Ende nichts davon richtig. Der pure, adrenalintreibende „Flow-State“, den man im ersten Teil erreichen konnte, wird in der Fortsetzung ständig durch unübersichtliche Action, aufpoppende Upgrade-Benachrichtigungen und die Notwendigkeit zum Grinden unterbrochen.

Meine finale Prognose und mein Wunsch für die Zukunft: Jetpack Joyride 2 wird in seiner jetzigen Form immer im Schatten seines Vorgängers stehen. Die einzige Rettung wäre ein radikales Umdenken der Entwickler. Sie sollten einen separaten „Classic Mode“ einführen: einen echten Endlos-Runner ohne Lebensbalken, ohne Story, ohne Waffen, nur der reine Flug ums Überleben und um den Highscore. Das würde den alten Fans das zurückgeben, was sie lieben, und gleichzeitig die neue Kampagne als alternative Erfahrung bestehen lassen.

Bis dahin bleibt Jetpack Joyride 2 eine Lektion darin, dass „mehr“ nicht immer „besser“ ist. Manchmal ist die einfachste Idee die beste. Barry Steakfries fliegt zwar immer noch, aber die unbeschwerte Freude – der „Joyride“ – ist auf dem Weg zur Fortsetzung leider verloren gegangen.

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