Das Industriekonglomerat Siemens hat kürzlich angekündigt, weltweit rund 6.000 Stellen abzubauen, darunter 2.850 Arbeitsplätze in Deutschland. Diese Entscheidung sorgt für heftige Diskussionen. Während der Konzern die Maßnahme als notwendige Anpassung an Marktveränderungen sieht, kritisieren Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter den Schritt scharf. Aber was steckt hinter diesem Stellenabbau, und welche Konsequenzen könnten sowohl für die Mitarbeiter als auch für den Industriestandort Deutschland entstehen?
Lassen Sie uns einen genaueren Blick auf die Hintergründe, die betroffenen Bereiche und die Perspektiven werfen.
Warum baut Siemens Stellen ab?
Die Entscheidung, Arbeitsplätze zu streichen, wurde hauptsächlich mit veränderten Marktbedingungen begründet. Besonders betroffen ist die Sparte Digital Industries (DI), die für das Automatisierungsgeschäft verantwortlich ist. Doch auch das Geschäft mit Ladelösungen für Elektrofahrzeuge bleibt nicht verschont.
Laut einer Pressemitteilung von Siemens leidet die DI-Sparte unter einer reduzierten Nachfrage und hohen Lagerbeständen bei Kunden und Händlern. Zudem sind die Märkte, insbesondere in Deutschland, seit zwei Jahren rückläufig. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sieht sich Siemens gezwungen, seine Kapazitäten anzupassen.
Zahlen im Überblick:
- 5.600 Stellen sollen bis Ende September 2027 in der Sparte DI abgebaut werden.
- 450 Stellen entfallen auf das Geschäft mit Ladelösungen, das zunehmend ausgelagert wird.
- Insgesamt sind 2.850 Arbeitsplätze in Deutschland betroffen.
„Die Anpassung der Kapazitäten ist notwendig, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben“, heißt es aus dem Unternehmen.
Konzernchef Roland Busch betonte, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. Vielmehr sollen betroffene Mitarbeiter umgeschult oder intern weitervermittelt werden.
Die betroffenen Standorte in Deutschland
Besonders stark betroffen von den Kürzungen könnten Standorte in Bayern sein, da sich dort ein Großteil der DI-Werke befindet. Konkret handelt es sich um Städte wie Erlangen, Fürth, Nürnberg und Amberg.
- Erlangen: Rund 3.500 Siemens-Mitarbeiter am Standort „F80“.
- Fürth: Ca. 1.600 Beschäftigte im Elektronikwerk.
- Amberg: Circa 4.500 Mitarbeiter.
Die endgültigen Details, welche Bereiche und Standorte am härtesten betroffen sind, wurden jedoch noch nicht veröffentlicht.
Sektion zum bayerischen Standort beim BR nachlesen
Das Geschäft mit Ladelösungen unter Druck
Neben der DI-Sparte hat Siemens auch das Geschäft mit Ladelösungen für Elektrofahrzeuge im Visier. Mit steigender Konkurrenz und niedrigem Wachstumspotenzial in bestimmten Segmenten sieht der Konzern keine andere Möglichkeit, als Kapazitäten zu reduzieren.
- 250 der 450 betroffenen Stellen in diesem Bereich entfallen auf Deutschland.
- Das Unternehmen konzentriert sich künftig auf hochwertige Schnellladelösungen für Flotten, Depots und den öffentlichen Raum.
„Der Preisdruck auf dem Markt erlaubt keine nachhaltigen Gewinne im unteren Leistungssegment“, erklärte Siemens dazu.
Wirtschaftlicher Hintergrund
Trotz des Stellenabbaus bleibt Siemens eine wirtschaftlich erfolgreiche Marke. Der Konzern erzielte im ersten Quartal einen Gewinn von 2,1 Milliarden Euro. Allerdings verzeichnete das Automatisierungsgeschäft einen deutlichen Umsatzrückgang.
Die Maßnahmen, so Siemens, seien erforderlich, um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben und auf veränderte Marktbedingungen flexibel reagieren zu können.
„Die Geschäftsbereiche, die wachsen, werden weiterhin investiert und ausgebaut“, teilte Siemens mit.
Ein Teil der Entlastung könnte auch dadurch erreicht werden, dass 2.000 offene Stellen in Deutschland intern von betroffenen Mitarbeitern besetzt werden.
Kritik von Gewerkschaften und Betriebsrat
Der geplante Jobabbau stieß auf scharfe Kritik. Vertreter der IG Metall sowie des Gesamtbetriebsrats äußerten deutliche Bedenken.
Birgit Steinborn, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, kommentierte die Pläne folgendermaßen:
„Wir sind enttäuscht und verärgert über die geplanten Maßnahmen. Arbeitsplätze müssen nachhaltig geschaffen, nicht abgebaut werden.“
Auch Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall, fügte hinzu:
„Man bewältigt Transformation nicht durch Abbau, sondern durch Weiterentwicklung und Qualifizierung.“
Die geplante Initiative „One Tech Company“, die davon ausgeht, Einheiten stärker zusammenzuführen, scheint im Widerspruch zu den massiven Stellenkürzungen zu stehen. Kritiker sehen darin eine verpasste Chance für den nachhaltigen Ausbau von Arbeitsplätzen.
Bedeutung des Stellenabbaus für Siemens und den Industriestandort Deutschland
Der Stellenabbau bei Siemens könnte als Warnsignal für den Industriestandort Deutschland gesehen werden. Mit zunehmenden Herausforderungen durch internationale Konkurrenz und rückläufigen Märkten scheint ein Zeichen zu entstehen, dass Deutschland als Produzentenland unter Druck gerät.
Trotz der geplanten Kürzungen bekennt sich Siemens ausdrücklich zum Standort Deutschland. Der Konzern verweist auf Investitionen in wachstumsstarke Bereiche und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.
„Der Personalbestand in Deutschland bleibt langfristig konstant. Es wird verstärkt in Zukunftsfelder wie digitale Lösungen und Infrastruktur investiert“, versicherte Siemens in einer Stellungnahme.
Positive Entwicklungen:
- Ausbau von Wachstumsfeldern, wie etwa industrieller Software und nachhaltigen Energiekonzepten.
- Investitionen in Weiterqualifikation der Mitarbeiter, um Umschulungen und interne Stellenausgleiche zu ermöglichen.
Fazit
Der Siemens-Stellenabbau ist ein kontrovers diskutiertes Thema, das weit über wirtschaftliche Herausforderungen hinausgeht. Während der Konzern beteuert, dass die Maßnahmen notwendig und langfristig strategisch sinnvoll sind, bleibt die Frage offen, wie sich diese Einschnitte auf den Industriestandort Deutschland und die betroffenen Mitarbeiter auswirken werden.
Kernelemente des Stellenabbaus:
- Anpassung an Marktbedingungen durch Reduktion von Arbeitsplätzen.
- Konzentration auf wachstumsstarke Technologiebereiche.
- Schaffung von Alternativen, wie Umschulungen und interne Jobvermittlungen.
Siemens steht traditionell für Stabilität und Innovation. Doch die aktuellen Entwicklungen verdeutlichen, wie stark traditionelle Industriegiganten unter dem Druck eines sich wandelnden Marktes stehen.
Es bleibt spannend, wie Siemens diese Transformation bewältigt und ob das Unternehmen dauerhaft seine Position als deutscher Vorzeigekonzern behaupten kann.