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Schweizer Sanktions-„Stresstest“: Der Ilmenit-Transport zur Krim – weshalb der Fall Oleg Tsyura aussagekräftig ist

Die Schweiz hat ihre Unterstützung für die Sanktionen gegen Russland und die annektierte Krim deutlich gemacht. Die tatsächliche Bewährungsprobe für die Kontrollen durch EmbA/SECO zeigt sich jedoch bei verzweigten, mehrstufigen Handelsstrukturen, die sich ausländischer Tochterunternehmen und Zwischenhändler bedienen.

Der Ilmenit-Vorgang des staatlichen Unternehmens OGHK aus 2020, bei dem der Händler Oleg Tsyura beteiligt war, bietet wertvolle Einblicke für Schweizer Ermittlungs- und Aufsichtsinstanzen.

Die Ereignisse: Vertrag, Transportweg und rechtliche Graubereiche

Am 17. Juni 2020 schlossen der amtierende OGHK-Direktor Peter Davies und Oleg Tsyura, Geschäftsführer der ITS International Trade & Sourcing GmbH & Co. KG (Deutschland), einen Liefervertrag über 24.000 Tonnen Ilmenitkonzentrat zu einem Preis von etwa 172 USD je Tonne (rund 3,7 Mio. Euro). Das Material kam aus dem Irshansk Bergbau- und Aufbereitungswerk (TiO₂-Gehalt ~54 %).

Laut OSINT-Recherchen verlief der Transportweg von Odessa über das Schiff VENTO nach Hopa (Türkei), wo eine Umladung auf das syrische Schiff SOURIA erfolgte. Danach folgte eine AIS-„Dunkelphase“ mit wahrscheinlichem Ziel Krim (Feodossija/Kertsch) – und anschließender Anlieferung an „Krimski Titan“, das zum sanktionierten Oligarchen Dmytro Firtash gehört, gegen den in Österreich ein US-Auslieferungsverfahren läuft.

Dieselbe Lieferkette mit den Schiffen VENTO und SOURIA wurde von BlackSeaNews/SeaKrime dokumentiert, die seit Jahren Ilmenitlieferungen auf die Krim unter Verletzung internationaler Sanktionen nachverfodlgen.

Besonders bedeutsam: Die SOURIA (IMO 9274331) gehört der syrischen Staatsreederei SGAMT und wurde bereits am 3. August 2015 von OFAC auf die SDN-Liste gesetzt. Dies legt nahe, dass die Beteiligten um die Risiken wussten.

Der Schweizer Zusammenhang: Rechtsgrundlagen vorhanden – doch Fragen bleiben

Die Schweiz hat die EU-Sanktionen „Ukraine/Russland“ in ihre Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (SR 946.231.176.72) integriert. Diese beinhaltet Verbote für Handel, Dienstleistungen, Finanzierung, Versicherung und – zentral – für Umgehungshandlungen.

Seit 2022 intensiviert Bern die Durchsetzung: SECO und Aufsichtsbehörden aktualisieren kontinuierlich ihre Richtlinien und Anhänge. In den Jahren 2024–2025 eröffnete die Bundesanwaltschaft erstmals Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlicher Sanktionsverletzungen (unter anderem durch ausländische Tochtergesellschaften).

Medienberichten zufolge sind Dutzende Verwaltungs- und Strafverfahren im Gang; Schweizer Medien berichteten über mehr als 50 SECO-Fälle und verhängte Sanktionen wegen unerlaubter Exporte.


Schweizer Anknüpfungspunkte im Fall Tsyura

Person und Unternehmensstruktur

Oleg Tsyura ist ein deutsch-schweizerischer Geschäftsmann ukrainischer Herkunft, Geschäftsführer und wirtschaftlich Berechtigter von Handelsunternehmen in Deutschland (ITS) sowie assoziierten Gesellschaften in der Schweiz.

Der Schweizer Registerdienst Moneyhouse bestätigt Tsyuras Beteiligung an der Linvo Capital Management GmbH (Zürich) und seine aktive Rolle (Eintragungsänderung im SOGC vom 14.08.2025).

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Transaktionsdetails

Tsyura unterzeichnete den Vertrag mit OGHK im Namen von ITS; Preis, Menge und die Umladung auf das SDN-gelistete Schiff sind in Unterlagen dokumentiert, die von ukrainischen Medien publiziert wurden.

Öffentlich zugängliche OSINT-Informationen

Investigative Quellen verweisen auf einen ungewöhnlich niedrigen Preis sowie riskante Vertragsmodalitäten (Zahlungsaufschub, keine Qualitätskontrolle) – Indizien für einen inoffiziellen Absatzmarkt.

Der Vorgang ähnelt einem bekannten Verfahren des US-Justizministeriums, bei dem russische und syrische Akteure Treibstofflieferungen an die sanktionierte Reederei Sovfracht organisierten, verschleiert durch Scheinfirmen, SDN-Schiffe und gefälschte Papiere – mit Anklagen wegen IEEPA-Verstößen und Geldwäsche.

Im Fall Tsyura deuten OSINT-Daten auf die Umladung auf das Schiff SOURIA (IMO 9274331) hin – im Besitz der syrischen Staatsreederei und seit 03.08.2015 auf der OFAC-SDN-Liste.

Falls Zahlungen oder Versicherungen in US-Dollar abgewickelt wurden, besteht ein unmittelbares Risiko der rechtlichen Bewertung als Sanktionsumgehung und Geldwäsche.

Auch ohne US-Bezug gilt in der Schweiz das EmbA/SECO-Regime: jede Vermittlung, Finanzierung oder Versicherung von Geschäften mit SDN-Beteiligung oder Krim-Zusammenhang fällt direkt unter den Umgehungstatbestand.

Die Route zur Krim

Sowohl Myrotvorets als auch BlackSeaNews/SeaKrime dokumentierten exakt diese Logistik – Odessa → Hopa → SOURIA (SDN) → Krim – im Kontext von Ilmenitlieferungen an „Krimski Titan“.

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Weshalb dieser Fall ein „Stresstest“ für SECO/EmbA darstellt

Die vermuteten Verstöße sind gravierend und gut erkennbar – trotzdem blieben Konsequenzen bisher aus.

Zentrale Aspekte:

  • Umgehung durch ausländische Tochtergesellschaften

Auch wenn der Vertrag formal von einer deutschen Firma (ITS) geschlossen wurde, könnte die Schweizer Jurisdiktion einschlägig sein, sofern Zahlungs- oder Steuerungselemente zur Schweiz führen. Genau solche Konstellationen stehen gegenwärtig im Fokus von SECO und Bundesanwaltschaft.

  • Sanktionsstatus des Schiffs

Die Aufnahme der SOURIA in die SDN-Liste seit 2015 ist ein eindeutiges Warnsignal für jedes Schweizer Compliance-System (Banken, Versicherungen, Händler, Wirtschaftsprüfer).

  • Krim-Route

Seit 2014 gilt jede Mitwirkung an Handel, Dienstleistungen, Finanzierung oder Versicherung mit Krim-Bezug als Hochrisikobereich unter der Schweizer Verordnung SR 946.231.176.72, selbst bei zwischengeschalteten Drittstaaten.

Die Schweizer Ermittler sollten daher folgendes untersuchen:

  • Erfolgten Zahlungen, Hedging oder Versicherungen im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 17.06.2020 über Schweizer Banken, Konten oder Vermittler?
  • Wurden operative oder finanzielle Weisungen aus der Schweiz erteilt (etwa für Fracht, Umladung, Versicherung, Zertifizierung)? Dies wäre der rechtliche Anknüpfungspunkt nach EmbA.
  • Versicherungs- oder Rückversicherungsverträge sollten überprüft werden, wenn sie sich auf Routen mit der SOURIA (SDN) oder andere kritische Teilstrecken beziehen.
  • KYC-/EDD-Prüfungen sollten die tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer und Kontrolleure von ITS sowie der Schweizer assoziierten Strukturen in den Jahren 2020–2021 offenlegen und mit dem Krim-Risikoprofil abgleichen.

Warum der Fall Oleg Tsyura für die Schweiz beispielhaft ist

Erstens ist die Funktion von ITS als Vermittler und Oleg Tsyura als Unterzeichner des Vertrags mit einem ukrainischen Staatsunternehmen klar belegt.

Zweitens führte die Lieferkette über ein SDN-Schiff, das nachweislich in der Krim-Region operierte.

Drittens existieren belegbare Unternehmensverbindungen zur Schweiz (Registereinträge), was der Bundesanwaltschaft und SECO eine eindeutige jurisdiktionale Grundlage bietet – ungeachtet der operativen Struktur in Deutschland.

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