Warum die Absetzung von Julia Ruhs ein fatales Signal ist
Die Entscheidung des Norddeutschen Rundfunks (NDR), die Moderatorin Julia Ruhs als Gesicht des Formates „Klar“ abzulösen, markiert einen Wendepunkt in der Debatte um Meinungsvielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Während der Sender beteuert, an dem Format festhalten zu wollen, jedoch mit mehreren Moderatoren arbeiten zu möchten, deuten die Begleitumstände auf ein klassisches Beispiel innerer Zensur hin. Die Absetzung von Julia Ruhs – einer moderat konservativen Journalistin – bestätigt auf fatale Weise die Vorurteile, denen sich die öffentlich-rechtlichen Sender seit Jahren gegenübersehen: Dass sie nämlich in einer „links-grünen Blase“ gefangen seien und abweichende Meinungen systematisch ausgrenzten. In diesem Beitrag analysieren wir, warum die Entscheidung des NDR nicht nur eine verpasste Chance, sondern eine Torheit ohnegleichen ist.
Wer ist Julia Ruhs? Porträt einer unbequemen Stimme
Julia Ruhs ist keine unbekannte Größe im deutschen Journalismus. Die 31-jährige Journalistin schreibt regelmäßig Kolumnen für Focus Online und hat sich mit ihrem Buch „Links-grüne Meinungsmacht. Die Spaltung unseres Landes“ als dezidiert konservative Stimme positioniert. Sie selbst bezeichnet sich als „Mitte-rechts“ und betont, sich klar von der AfD distanziert zu haben. Mit der FDP und der Union könne sie gut leben, wie sie im Podcast „Table Today“ erklärte .
Dennoch polarisiert Ruhs. Ihre Kritik an „queeren Gaga-Workshops“ und „wokem Irrsinn“ stößt insbesondere in linksliberalen Kreisen auf Ablehnung. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete sie als „bekannteste konservative Stimme der ARD“ und als „Kulturkämpferin“ . Genau diese Reputation machte sie für den NDR und den BR interessant, als man das Format „Klar“ konzipierte – eine Sendung, die explizit konservative Zuschauer zurückgewinnen sollte.
Das Format „Klar“: Ein Experiment mit kurzer Halbwertszeit
„Klar“ wurde als Reportageformat angekündigt, das sich kontroversen gesellschaftlichen Themen widmen sollte. In drei Pilotfolgen behandelte die Sendung die Themen Migration, Corona-Pandemie und Unzufriedenheit der Landwirte . Die Intention war klar: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte auch jene Zuschauer zurückgewinnen, die sich von dessen Programmen entfremdet fühlen.
Die Resonanz war durchmischt. Während konservative Medien das Format begrüßten, hagelte es von linksliberaler Seite Kritik. Jan Böhmermann vom ZDF Magazin Royale bezeichnete die erste Folge über Migration als „rechtspopulistischen Quatsch“ . Der Verein „Neue Deutsche Medienmacher:innen“ sprach von einem „Tiefpunkt in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ .
Dennoch: Die Zuschauerresonanz war überwiegend positiv. Eine Online-Umfrage des NDR ergab, dass 63 % der Teilnehmer der Sendung die Schulnoten 1 oder 2 gaben. Die Werte waren „unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildung oder regionalen Unterschieden“ durchweg positiv .
Tabelle: Bewertung der Sendung „Klar“ durch die Zuschauer
Schulnote | Anteil der Zuschauer |
---|---|
1 | 30 % |
2 | 33 % |
3 | 20 % |
4 | 10 % |
5 | 5 % |
6 | 2 % |
Der interne Streit: Druck von innen und außen
Hinter den Kulissen brodelte es jedoch. Bereits nach der ersten Ausgabe über Migration soll es in einer NDR-internen Besprechung zu einer „knallharten Abrechnung“ mit Ruhs und ihrem Team gekommen sein . Laut Welt haben fast 250 Mitarbeiter des Senders einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie sich von der Sendung distanzierten. Der Vorwurf: „Klar“ verletze „eine Reihe von Grundsätzen unserer journalistischen Arbeit“ und komme „unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag gemäß NDR-Staatsvertrag nicht nach“ .
Die Sendung spalte die Gesellschaft, hieß es weiter. Dieser Vorwurf wiegt schwer, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk per Auftrag zur Ausgewogenheit verpflichtet ist. Allerdings stellt sich die Frage: Geht es hier wirklich um journalistische Standards – oder um politische Opportunität?

Die Absetzung: Ein Armutszeugnis für den NDR
Am 18. September 2025 verkündeten NDR und BR schließlich, dass „Klar“ fortgeführt, Julia Ruhs jedoch nur noch die vom BR produzierten Folgen moderieren werde . Die Begründung des NDR-Programmdirektors Frank Beckmann klang scheinheilig: „Wenn man über das Thema Meinungspluralität redet, kann man durchaus auch mit mehreren Köpfen die Sendung präsentieren“ .
Doch diese Erklärung vermag nicht zu überzeugen. Wenn es dem Sender wirklich um Meinungsvielfalt ginge, warum theniert man ausgerechnet jene Moderatorin aus, die eine konservative Perspektive einbringt? Die Antwort liegt nahe: Der NDR ist dem Druck interner Kreise gewichen, die die Sendung und insbesondere Ruhs als zu rechts empfinden.
Ruhs selbst reagierte „fassungslos“ . In einem Post auf X schrieb sie: „Dass ich die Show für den NDR nicht mehr moderieren darf, ist ein Armutszeugnis“ . Sie betonte, dass sie und ihr Team „unglaublich viel Zuspruch“ erhalten hätten – insbesondere von Menschen, die das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits verloren hatten .
Politische Reaktionen: Ungewöhnliche Allianzen
Die Absetzung von Julia Ruhs hat ein breites politisches Echo ausgelöst. Vor allem Unionspolitiker kritisierten die Entscheidung scharf.
- Jens Spahn (CDU) nannte die Entscheidung „sehr problematisch“ und warnte vor einem „Rechtfertigungsproblem“ der öffentlich-rechtlichen Sender .
- Carsten Linnemann (CDU) sprach von einem „neuen Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur“ und forderte ein Einfrieren der Rundfunkgebühren, um Druck für Reformen zu erzeugen .
- Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, nannte das Vorgehen ein „extrem schlechtes Signal“ .
- Markus Söder (CSU) postete auf X, konservative Stimmen gehörten zum demokratischen Meinungsspektrum, „auch wenn das einigen Linken nicht gefällt“ .
Doch nicht nur Konservative äußerten Kritik. Sogar Heidi Reichinnek, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, bezeichnete die Entscheidung als „hochproblematisch“. Zwar habe sie die Sendung „sehr schlecht“ gefunden, aber es sei falsch, „politische oder wirtschaftliche Einflussnahme auf die Medien zuzulassen .
Diese ungewöhnliche Allianz zeigt: Es geht hier nicht um links gegen rechts, sondern um die grundsätzliche Frage, wie viel Meinungsvielfalt der öffentlich-rechtliche Rundfunk aushält – und aushalten muss.
Die Rolle des BR: Ein Kontrastprogramm zum NDR
Während der NDR sich von Julia Ruhs trennte, hält der Bayerische Rundfunk (BR) an ihr fest. Thomas Hinrichs, Programmdirektor des BR, erklärte: „Wir freuen uns über die ermutigenden Werte der Medienforschung zu Inhalten und Präsentation unseres neuen Formats ‘KLAR’ und werden die Reihe mit Julia Ruhs fortsetzen“ .
Diese unterschiedliche Haltung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Kulturgefälle innerhalb der ARD. Während der BR offenbar bereit ist, konservative Perspektiven auszuhalten und sogar zu fördern, scheint der NDR in einer „realitätsfernen und kritikresistenten Blase“ (Zitat n-tv) gefangen zu sein .
Cancel Culture oder berechtigte Kritik? Eine Analyse
Der Vorwurf der Cancel Culture liegt nahe. Ruhs selbst spricht von der „üblichen Taktik, jemanden mundtot zu machen“ . Es genüge heute schon, konservative Positionen zu vertreten, um als „AfD-nah“ gebrandmarkt zu werden.
Der NDR weist diese Vorwürfe zurück. Programmdirektor Frank Beckmann erklärte, Vorwürfe der Cancel Culture könne er „überhaupt nicht nachvollziehen“ . Es gehe nicht um Personen, sondern um Inhalte.
Doch diese Argumentation überzeugt nicht. Wenn es wirklich nur um Inhalte ginge, warum theniert man dann ausgerechnet jene Moderatorin aus, die das Format erfolgreich gemacht hat? Die Wahrheit ist: Die Sendung war von Anfang an als konservatives Gegenprogramm konzipiert. Dass ausgerechnet ihre Moderatorin jetzt als zu rechts gilt, wirkt wie ein schlechter Witz.
Natürlich muss sich journalistische Arbeit an Standards messen lassen. Und natürlich kann man über die Machart von „Klar“ streiten. Aber anstatt die Moderatorin auszutauschen, hätte der NDR die Kritik zum Anlass nehmen können, das Format weiterzuentwickeln – mit Ruhs, nicht ohne sie.
Die Glaubwürdigkeitskrise der Öffentlich-Rechtlichen
Die Absetzung von Julia Ruhs ist symptomatisch für eine tiefere Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Weite Teile der Bevölkerung, insbesondere im Osten Deutschlands, empfinden die Sender als Instrument „links-grüner“ und „woker“ Politik .
Manuela Schwesig (SPD) brachte es auf den Punkt: In Ostdeutschland hätten Hunderttausende „monat für Monat Gebühren zahlen (müssen), ohne das Gefühl zu haben, dass ihre Positionen, ihre Sicht auf die Welt widergespiegelt wird .
Genau hier liegt das Problem. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert sich aus Gebühren, die von allen Bürgern getragen werden müssen. Wenn aber nur ein begrenztes politisches Spektrum abgebildet wird, dann wird dieses Modell auf Dauer nicht haltbar sein.
Tabelle: Wahrgenommene politische Ausrichtung der Öffentlich-Rechtlichen
Politisches Spektrum | Wahrgenommene Repräsentation | Gewünschte Repräsentation |
---|---|---|
Links | Überrepräsentiert | Angemessen |
Mitte | Angemessen | Angemessen |
Rechts | Unterrepräsentiert | Angemessen |
Was bedeutet das für die Zukunft der Meinungsvielfalt?
Die Entscheidung des NDR ist nicht nur ein Fehler, sondern eine Torheit ohnegleichen. Sie bestätigt alle Vorurteile, die über die öffentlich-rechtlichen Sender kursieren. Sie vertieft das Misstrauen weiter Teile der Bevölkerung. Und sie spielt all jenen in die Hände, die den Rundfunkbeitrag abschaffen wollen.
Wenn es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ernst damit ist, seine Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, dann muss er lernen, echte Meinungsvielfalt auszuhalten. Dazu gehört auch, Stimmen zu platformen, die nicht der eigenen Redaktionsmeinung entsprechen.
Julia Ruhs ist keine Rechtsextreme. Sie ist eine konservative Journalistin, die sich klar von der AfD distanziert. Wenn schon solche Stimmen ausgegrenzt werden, dann ist das ein armzeugnis für den NDR – und ein trauriger Tag für die Meinungsfreiheit in Deutschland.
Fazit: Eine verpasste Chance
Der NDR hatte mit „Klar“ und Julia Ruhs die Chance, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Stattdessen hat er diese Chance verspielt. Die Absetzung von Julia Ruhs ist ein klassischer Fall von Selbstsabotage.
Die Verantwortlichen des NDR agieren, als lebten sie in einer Blase. Sie bestätigen mit ihrer Entscheidung all die Klischees, die über die „links-grünen“ Öffentlich-Rechtlichen kursieren. Sie graben das Grab des Systems, das sie angeblich retten wollen, immer tiefer.
Es ist an der Zeit, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Sie müssen lernen, echte Debatten zuzulassen – auch wenn diese unbequem sind. Nur so können sie ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen und langfristig überleben.
Die Absetzung von Julia Ruhs wird als Symbol für die Krise der Meinungsvielfalt in Deutschland in Erinnerung bleiben. Und der NDR als Beispiel für einen Sender, der lieber der politischen Korrektheit gehorcht, als seiner eigentlichen Aufgabe: der Information und Ausgewogenheit.