„Die Wahrheit ist, dass ich aus jedem Job rausgeflogen bin, aus allem.“ Diese Worte von Yasin Qureshi klingen nicht wie der Beginn einer klassischen Erfolgsgeschichte, aber sie bilden die Grundlage für einen einzigartigen Ansatz in Wirtschaft und Innovation. Von Optimierungsvorschlägen in der Lagerhaltung bis hin zur effizienteren Gestaltung von Spülprozessen in Restaurants – Qureshis frühe Karriere war von einem wiederkehrenden Muster geprägt: systemische Ineffizienzen aufzudecken und unkonventionelle Lösungen voranzutreiben.
Vom Unangepassten zum Unternehmer
Für die meisten Menschen wäre eine wiederholte Entlassung ein Signal zur Anpassung. Für Yasin Qureshi war es der Anstoß zu einer bemerkenswerten Entwicklung, die ihn mit 29 Jahren zum jüngsten CEO einer Investmentbank in Europa machte. Dabei war sein Weg alles andere als konventionell.
„Ich glaube, ich hatte schon immer ADHS und habe deshalb nie in traditionelle Strukturen gepasst“, reflektiert Qureshi. Diese neurodivergente Perspektive machte es ihm schwer, sich in bestehende Systeme einzufügen – und wurde gleichzeitig zu seiner größten Stärke. Sein Talent, Ineffizienzen zu erkennen, erwies sich in der Geschäftswelt als wertvoller Vorteil.
Ein entscheidender Moment kam, als er während seines Kunststudiums in Hamburg für ein Maklerunternehmen arbeitete. Dort fielen ihm die manuellen Prozesse in der technischen Marktanalyse auf. „Ich habe gesagt: ‚Ihr macht das alles manuell, das ist doch Unsinn. Ihr könnt das elektronisch machen und die Daten einfach eingeben.'“ Bevor er seine Vision zu Ende erklären konnte, wurde er wieder entlassen.
Doch diesmal erwies sich die Entlassung als Wendepunkt. Statt sich einen neuen Job zu suchen, bei dem er wieder mit den bestehenden Strukturen kollidieren würde, wagte der jüngste Bankgründer Deutschlands mit 21 Jahren den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit. Mit seinen Programmierkenntnissen – angefangen auf einem Commodore 64 – entwickelte er Software zur Kapitalmarktanalyse und legte damit den Grundstein für seine unternehmerische Karriere.
Was Qureshi auf diesem Weg entdeckte, war ein tieferes Verständnis von Wirtschaft und Bürokratie: „Ich war schockiert, wie die Welt funktioniert. Dass Formalismen oft Inhalt und Verstand unterdrücken. Dass Bürokratie und starre Strukturen Innovation ersticken können.“ Diese Erkenntnis wurde zum Grundprinzip seiner Philosophie: Manchmal muss man ein System zerschlagen, um es besser zu machen.
Die Kraft menschlicher Beziehungen: Erfolg neu gedacht
Der Weg zu Deutschlands jüngstem Investmentbank-CEO war nicht geradlinig, aber Qureshis Timing war perfekt. „Es war eine Mischung aus Glück, Zufall und Timing – damals war der elektronische Derivatehandel noch nicht reguliert.“ Als sich die Regeln änderten, wurde seine Erfahrung im unregulierten Handel plötzlich zum entscheidenden Vorteil, der ihm die Banklizenz einbrachte.
Dieser Erfolg bestärkte ihn in seiner Überzeugung, dass das Infragestellen bestehender Strukturen zu bahnbrechenden Innovationen führen kann. Gleichzeitig lernte er eine wichtige Lektion: „Alles ist eine Ware – außer Beziehungen. Das einzig wirklich Wertvolle in dieser Welt sind menschliche Beziehungen. Sie sind nicht ersetzbar.
Diese Erkenntnis veränderte die unternehmerische Einstellung des NAGA-Gründers zum Geschäft. Während seine frühere Karriere von technischen Lösungen und Systemverbesserungen geprägt war, erkannte er, dass zwischenmenschliche Beziehungen oft wichtiger sind als Fachwissen. „Ich habe jahrelang technische Innovationen gepitcht und erklärt“, erinnert er sich. „Und dann gab es ein einziges Eventwochenende mit den richtigen Leuten – das brachte mehr Geschäft als jede genaue Erklärung meiner Arbeit. Die Leute wussten nicht einmal genau, was ich tat, aber sie sagten: ‚Lass es uns einfach machen, weil er ein guter Kerl ist.'“
Heute ist Qureshis unkonventioneller Geist immer noch seine treibende Kraft. „Ich glaube, die Finanzindustrie wird sich radikal verändern, traditionelle Banken und Finanzsysteme werden verschwinden“, prophezeit er, während er gleichzeitig in bahnbrechende Biotechnologieprojekte investiert. Doch sein Ansatz bleibt derselbe: Ineffiziente Systeme entlarven, Normen hinterfragen, Technologie nutzen, Beziehungen aufbauen und neue Strukturen schaffen.
Innovation durch Infragestellung etablierter Systeme
Qureshis Erfahrungen sind eine wertvolle Lektion für moderne Innovatoren. Manchmal ist die Entlassung aufgrund von Verbesserungsvorschlägen kein Rückschlag, sondern ein Zeichen dafür, dass man Dinge sieht, die andere nicht sehen. „Ich bin hier, weil ich wegen meiner Eigenheiten aus jedem Job geflogen bin. Das hat mich dazu gezwungen, mit 21 mein eigenes Unternehmen zu gründen, weil mich niemand mehr einstellen wollte.“
Seine „Anti-Struktur“ – das bewusste Infragestellen bestehender Systeme, um bessere zu schaffen – ist zum Leitprinzip seiner Arbeit geworden. Von der Verbesserung von Lagerprozessen bis zur Revolutionierung des Finanzwesens und der Biotechnologie reicht seine Karriere: Echte Innovation erfordert Mut zur Kritik, auch wenn sie zunächst auf Ablehnung stößt.
Der Schlüssel liegt darin, nicht nur zu erkennen, was nicht funktioniert, sondern auch die Ausdauer und die Vision zu haben, etwas Besseres aufzubauen. In einer Welt, in der Disruption oft nur ein Modewort ist, zeigt Qureshis Geschichte, wie systemische Kritik in echte Innovation umgewandelt werden kann. Manchmal beginnt der größte Fortschritt mit der Frage: Warum tun wir das, was wir tun?