Die Abschaltung des letzten Kohlekraftwerks in Großbritannien markiert einen historischen Moment. Nach 142 Jahren Abhängigkeit von Kohle zur Energieerzeugung nimmt das Land nun Abschied von dieser Energiequelle, um den Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen.
Die Bedeutung der Kohlekraft in Großbritannien
Ein Rückblick auf die Kohlenutzung
Die industrielle Revolution in Großbritannien wäre ohne Kohle kaum denkbar gewesen. Kohle war der Motor, der die Industrialisierung angetrieben hat, und prägte über Jahrhunderte das wirtschaftliche und soziale Leben des Landes. Das erste Kohlekraftwerk der Welt, das Holborn Viaduct Kraftwerk in London, wurde 1882 von Thomas Edison in Betrieb genommen. Von diesem Zeitpunkt an versorgte Kohle nahezu alle Haushalte und Fabriken mit Strom.
Bis in die frühen 1990er-Jahre blieb Kohle die wichtigste Energiequelle. Selbst 2012 erzeugte Kohle noch 39 % des britischen Stroms. Doch der Klimawandel und der wachsende Druck zur Reduzierung von Treibhausgasen führten zu einem allmählichen Abschied von der Kohle.
Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Energiesystem in Großbritannien dramatisch verändert. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix wuchs von lediglich 7 % im Jahr 2010 auf über 50 % im Jahr 2024. Insbesondere Windkraft und Solarenergie tragen erheblich zur Stromerzeugung bei. Dank dieser Entwicklung konnte Großbritannien immer häufiger auf Kohlekraft verzichten, wobei 2017 die ersten kohlefreien Tage verzeichnet wurden.
Gründe für den Umstieg
Die Entscheidung, die Kohlenutzung zu beenden, wurde maßgeblich durch das wachsende Bewusstsein für die Klimakrise beeinflusst. Kohle ist der fossile Brennstoff, der beim Verbrennen die meisten Treibhausgase produziert. Im Jahr 2008 setzte die britische Regierung erstmals gesetzlich verbindliche Klimaziele fest. Diese Ziele machten klar, dass der Kohleausstieg unausweichlich war. Im Jahr 2015 kündigte die damalige Energie- und Klimaministerin Amber Rudd an, dass Großbritannien innerhalb eines Jahrzehnts aus der Kohlekraft aussteigen würde.
Die Rolle von Vorreitern
Länder wie Großbritannien, die früh auf erneuerbare Energien setzen, dienen als Vorbild für andere Nationen. Lord Deben, ein ehemaliger britischer Umweltminister, betonte, dass es wichtig sei, dass es Länder gebe, die den Weg weisen. „Wenn Großbritannien es geschafft hat, warum können wir es nicht auch?“, so seine Überlegung. Dieser Führungsanspruch setzt weltweit Standards für die Energiepolitik.
Das letzte Kapitel der Kohlekraft: Ratcliffe-on-Soar
Das letzte aktive Kohlekraftwerk in Großbritannien, das Ratcliffe-on-Soar Kraftwerk nahe Nottingham, schließt am kommenden Montag nach über fünf Jahrzehnten Betrieb. Das Werk, das seit 1967 in Betrieb ist, war ein Symbol für die britische Energieversorgung. Doch nun, nach mehr als 50 Jahren, gehen in Ratcliffe endgültig die Lichter aus – zumindest was die Kohlekraft betrifft.
Stimmen der Arbeiter
Für viele Mitarbeiter des Kraftwerks ist dies ein emotionaler Moment. Chris Smith, die 28 Jahre im Bereich Umwelt und Chemie im Werk gearbeitet hat, sagte: „Es ist ein sehr denkwürdiger Tag. Wir haben immer unser Bestes gegeben, um das Kraftwerk am Laufen zu halten, und jetzt wird es stillgelegt. Es ist traurig.“
Diese persönlichen Geschichten erinnern an die Schließung der Kohlebergwerke in den 1980er-Jahren unter Margaret Thatcher, als Tausende von Arbeitsplätzen verloren gingen. Diesmal jedoch versucht die Regierung, den Übergang für die betroffenen Arbeitnehmer reibungsloser zu gestalten, indem neue grüne Arbeitsplätze geschaffen werden.
Herausforderungen und Chancen im neuen Energiesystem
Stabilität des Stromnetzes
Obwohl Kohle als äußerst umweltschädlich gilt, hat sie einen entscheidenden Vorteil: Zuverlässigkeit. Anders als Wind- und Solarenergie ist Kohle nicht von Wetterbedingungen abhängig. Dies stellt das neue Energiesystem vor große Herausforderungen, insbesondere bei der Stabilität des Stromnetzes. Kayte O’Neill, COO des Energy System Operators, erklärt: „Es wird viel Innovation benötigt, um die Netzstabilität sicherzustellen.“
Batterietechnologie als Schlüssel zur Zukunft
Eine Schlüsseltechnologie, die dabei helfen kann, ist die Batterietechnologie. Dr. Sylwia Walus vom Faraday Institute betont, dass die Wissenschaft große Fortschritte gemacht hat, um Batterien effizienter und nachhaltiger zu machen. Ziel ist es, unabhängiger von globalen Lieferketten zu werden, insbesondere von China.
Der Weg in die Zukunft: Ein kohlenstofffreies Großbritannien
Der endgültige Abschied von der Kohlekraft ist ein entscheidender Schritt für Großbritannien auf dem Weg zu einem kohlenstofffreien Energiesystem. Doch der Umstieg ist mit Herausforderungen verbunden. Wind- und Solarenergie sind wetterabhängig und erfordern innovative Lösungen, um das Stromnetz stabil zu halten. Batterietechnologien und andere Speichersysteme werden eine zentrale Rolle dabei spielen, die Energieversorgung sicherzustellen.
Der Fokus auf grüne Technologien eröffnet jedoch auch enorme wirtschaftliche Chancen. Arbeitsplätze in den Bereichen Windenergie, Solartechnologie und Speichersysteme können genau dort entstehen, wo einst fossile Brennstoffe dominierten. Das Ziel der britischen Regierung ist es, den Übergang so gerecht wie möglich zu gestalten, um die betroffenen Regionen zu stärken und für die Zukunft fit zu machen.
Häufig gestellte Fragen:
Warum schließt Großbritannien seine letzten Kohlekraftwerke?
Großbritannien hat sich zum Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren und die Nutzung von fossilen Brennstoffen zu beenden. Kohle gilt als der klimaschädlichste Energieträger, und erneuerbare Energien wie Wind und Solar sind inzwischen wettbewerbsfähig geworden.
Was ersetzt die Kohlekraftwerke in Großbritannien?
Die Kohlekraft wird vor allem durch erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie ersetzt. Zudem spielt die Batterietechnologie eine wichtige Rolle, um Energie zu speichern und die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten.
Welche Auswirkungen hat die Abschaltung der Kohlekraftwerke auf die Arbeitnehmer?
Die Regierung versucht, den Übergang durch die Schaffung neuer grüner Arbeitsplätze zu erleichtern, insbesondere in Regionen, die stark von der Kohleindustrie abhängig waren.
Fazit
Mit der Abschaltung des letzten Kohlekraftwerks verabschiedet sich Großbritannien von einer Ära, die das Land über mehr als ein Jahrhundert geprägt hat. Gleichzeitig zeigt das Land, wie der Weg in eine klimafreundliche Zukunft aussehen kann – mit Innovation, erneuerbaren Energien und einer gerechteren Verteilung neuer wirtschaftlicher Chancen.
